Rz. 3

"Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche" oder sonstige Unrichtigkeiten im Tatbestand eines Urteils werden vom Gericht nur auf Antrag berichtigt, § 320 Abs. 1 ZPO. Die Berichtigung muss innerhalb einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich beantragt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, § 320 Abs. 1 und 2 S. 1 ZPO.

 

Rz. 4

Weil der Tatbestand die vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp darstellt und wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden soll, § 313 Abs. 2 ZPO, kommt dem Tatbestand damit keine negative Beweiskraft zu, soweit es sich um die durch Schriftsätze vorgebrachten Behauptungen handelt.[2] Ist der Tatbestand unvollständig, schadet dies also nicht.

 

Rz. 5

Ungefährlich in Bezug auf die anwaltlichen Sorgfaltspflichten sind auch im Urteil vorkommende Schreib- und Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, zumal diese jederzeit vom Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen sind, § 319 ZPO.

 

Rz. 6

Weil die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils aber (positive) Beweiskraft entfalten, soweit sich der Tatbestand zu bestimmten Tatsachen verhält, muss die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen mit dem Tatbestandsberichtigungsantrag geltend gemacht werden, wenn Berufung eingelegt werden soll oder nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gegenpartei Berufung einlegt. Es muss nämlich verhindert werden, dass die falschen oder widersprüchlichen Feststellungen für das Berufungsgericht bindend werden.

 

Rz. 7

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das Revisionsgericht an die beanstandete tatbestandliche Feststellung gebunden, auch wenn sich diese in den Entscheidungsgründen befindet, weil die betreffende Partei es versäumt hat, einen Tatbestandsberichtigungsantrag zu stellen.[3] Zum Tatbestand gehört auch das in den Entscheidungsgründen enthaltene tatsächliche Vorbringen.[4]

 

Rz. 8

Die Berichtigung des Tatbestands bzw. tatsächlicher Feststellungen in den Entscheidungsgründen kann somit entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung des Urteils sein. Gleichermaßen stellt ein gebotener, aber unterlassener Tatbestandsberichtigungsantrag eine Haftungsfalle für den Rechtsanwalt dar, weil der Mandant deswegen ggf. sein Rechtsmittel verliert.[5]

 

Rz. 9

Mit dem später eingelegten Rechtsmittel kann also Berichtigung der tatbestandlichen Feststellungen des Ersturteils nicht erreicht werden.[6] Sollte das Gericht die – berechtigte – Tatbestandsberichtigung versagen, kann aber mit dem Rechtsmittel, speziell mit einer Verfahrensrüge nach §§ 551 Abs. 3 Nr. 2b, 557 Abs. 3 ZPO, die Unrichtigkeit des Tatbestands als Verfahrensfehler und die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG gerügt werden (Verfahrensrüge gemäß §§ 551 Abs. 3 Nr. 2b, 575 Abs. 3 Nr. 3b ZPO).

[2] BGH, Urt. v. 12.3.2004 – V ZR 257/03, juris Leitsatz = NJW 2004, 1876, 1879.
[3] BGH, Urt. v. 3.2.2016 – XII ZR 29/13, juris Rn 38 = MDR 2016, 655; BGH, Beschl. v. 26.3.1997 – IV ZR 275/96, juris Rn 5 f = NJW 1997, 1931. Diese Bindungswirkung hätte nur aufgrund eines rechtzeitig gestellten Berichtigungsantrages entfallen können.
[4] Zöller/Feskorn, § 320 ZPO Rn 6 und § 314 ZPO Rn 3 m.w.N.
[5] Vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2015 – VI ZR 209/14, juris Rn 5 = NJW 2015, 1826 f.; BGH, Urt. v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, juris Rn 13 = WM 2009, 66 f.; BGH, Urt. v. 10.12.2009 – IX ZR 206/08, juris Rn 11 = NJW-RR 2010, 629–630; BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZB 175/09, juris Rn 7 = MDR 2010, 957–958.
[6] St. Rspr. d. BGH, Urt. v. 3.2.2016 – XII ZR 29/13, juris Rn 38 = MDR 2016, 655; BGH, Urt. v. 20.1.2015 – VI ZR 209/14, juris Rn 5 = NJW 2015, 1826 f.

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