Rz. 39

Der Antrag auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens kann schriftsätzlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden (§ 486 Abs. 4 ZPO) und unterliegt daher nicht dem Anwaltszwang (§§ 486 Abs. 4, 78 Abs. 3 ZPO). Die Vorschrift betrifft allerdings nur die Antragstellung,[48] wird aber auch die Ergänzung und Berichtigung des Antrags erfassen.[49] Eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 486 Abs. 4 ZPO auf das gesamte Verfahren mit Ausnahme einer etwaigen mündlichen Verhandlung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht eröffnet.[50] Nicht dem Anwaltszwang unterliegt die Beitrittserklärung eines Nebenintervenienten in einem beim Landgericht anhängigen selbstständigen Beweisverfahren, da der Nebenintervenient nicht schlechter gestellt werden darf als der Antragsteller.[51] Wird der Nebenintervenient darüber hinaus jedoch für die und anstatt der Partei tätig, besteht Anwaltszwang.[52] Denn auch Antragsteller und Antragsgegner benötigen abseits des Regelungsgehalts des § 486 Abs. 4 ZPO nach der Rechtsprechung des BGH für die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens anwaltliche Vertretung, sofern sie vor einem diesem Zwang unterliegenden Gericht erfolgt.[53] Auch wenn der BGH offengelassen hat, ob eine analoge Anwendung für einzelne Verfahrenshandlungen denkbar ist, ist Zurückhaltung bei der Annahme von Ausnahmen vom Anwaltszwang, die über § 486 Abs. 4 ZPO hinausgehen, angebracht.[54] Jedenfalls die Rücknahme des Antrags sollte als Reziprok nicht dem Anwaltszwang unterstellt werden.[55] Vorsicht gilt allerdings für außerhalb der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellte Anträge auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten sowie auf Anhörung oder Ablehnung eines Sachverständigen. Für den Antrag nach § 494a Abs. 1 ZPO war bis zur Entscheidung des BGH zum Anwaltszwang für die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten streitig, ob vor dem Landgericht vom Anwaltszwang auszugehen ist. Auf der Grundlage der Ausführungen des BGH spricht viel dafür, den Anwaltszwang zu bejahen.[56] Für eine Streitverkündung soll jedoch nach der Rechtsprechung des BGH allgemein kein Anwaltszwang bestehen.[57]

 

Rz. 40

 

Hinweis

Der BGH hat mit seiner Entscheidung aus dem Juli 2012 zum (fehlenden) Anwaltszwang für die Beitrittserklärung eines Nebenintervenienten in einem selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Grundsätze aufgestellt, die zuvor in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (und einem Großteil des Schrifttums) anders beurteilt wurden. Die Heranziehung von Entscheidungen vor diesem Zeitpunkt zur Prüfung des Anwaltszwangs sollte daher nur zurückhaltend erfolgen.

[49] Vgl. etwa OLG Naumburg OLG-NL 2002, 181.
[50] BGH NZBau 2012, 563, 564, wobei offengelassen wird, ob eine analoge Anwendung für einzelne Verfahrenshandlungen denkbar ist.
[52] Fischer, LMK 2012, 338416.
[53] Zöller/Herget, Vor §§ 485–494a ZPO Rn 4; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 55 Rn 27.
[55] Notfalls kann auf die Erwägungen zur Zulässigkeit der Rücknahme der durch die Partei eingelegten Berufung durch diese selbst (entgegen dem bestehenden Anwaltszwang) zurückgegriffen werden; vgl. hierzu Zöller/Herget, § 516 ZPO Rn 15.
[56] So auch Zöller/Herget, § 494a ZPO Rn 6; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 57 Rn 34.

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