1. Voraussetzungen

 

Rz. 99

Nach der Rechtsprechung[104] erwirbt der Nacherbe bereits beim Tod des Erblassers und vor Eintritt des Nacherbfalles bereits ein Anwartschaftsrecht. Dieses Anwartschaftsrecht ist sowohl vererblich als auch übertragbar. Somit unterliegt es auch der Pfändung.

Liegt lediglich eine bedingte Nacherbeneinsetzung vor,[105] ist ungeachtet der Bedingung trotzdem das Anwartschaftsrecht pfändbar.

Hat der Erblasser gem. § 2108 Abs. 2 BGB die Vererbung des Nacherbenrechtes ausgeschlossen, so führt dies nicht zu einem Ausschluss der Pfändbarkeit des Anwartschaftsrechtes aufgrund § 851 Abs. 2 ZPO.

Da erst mit dem Tode des Erblassers ein Anwartschaftsrecht für den Nacherben besteht, ist eine Pfändung vor dem Tode des Erblassers in das Nacherbenrecht nicht möglich.[106]

 

Rz. 100

Die Pfändung des Anwartschaftsrechtes beim alleinigen Nacherben erfolgt nach den Grundsätzen der Rechtspfändung gem. § 857 ZPO. Unabhängig davon kann jedoch der Schuldner die Nacherbschaft ausschlagen.

Problematisch ist, ob bei der Pfändung des Nacherbenrechtes in der Person des Vorerben ein Drittschuldner vorhanden ist oder ob es sich um die Pfändung eines drittschuldnerlosen Rechts handelt, die mit Zustellung an die Schuldner bereits wirksam wird.

Im Einzelnen wird unterschieden, ob der Schuldner alleiniger Nacherbe oder Mitnacherbe ist.

Bei alleiniger Nacherbschaft soll die Pfändung nach § 857 Abs. 2 ZPO mit der Zustellung an den Schuldner wirksam sein, da es sich um ein drittschuldnerloses Recht handelt.[107]

Sofern der Schuldner Mitnacherbe ist, sind die übrigen Nacherben Drittschuldner, so dass die Zustellung des Pfändungsbeschlusses auch an diese zu erfolgen hat.

Problematisch ist dann der Fall, wenn die weiteren Mitnacherben noch unbekannt sind. Bei einem derartigen Fall ist eine Zustellung an den Vorerben erforderlich.

Die herrschende Meinung[108] hält immer auch die Zustellung an den Vorerben für ratsam.

[104] BGHZ 87, 367.
[105] Z.B. bei Ersatznacherbfolge oder Wiederverheiratungsklausel.
[106] Stöber, Rn 1653.
[107] Palandt/Weidlich, § 2100 Rn 11 m.w.N.; a.A. Stöber, Rn 1657.
[108] Baumbach/Hartmann/Lauterbach/Albers, § 857 Rn 2 m.w.N.

2. Sonderfälle

a) Immobilieneigentum

 

Rz. 101

Sofern im Nachlass Immobilieneigentum ist und auch der Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen wurde, kann im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO die Pfändung des Nacherbenrechtes eingetragen werden. Dabei muss zum Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuches der Pfändungsbeschluss mit übersandt werden.

Nach § 2113 BGB sind grundsätzlich Verfügungen des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück etc. unwirksam, sofern sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden. Der Nacherbe kann jedoch seine Zustimmung erteilen, die seine Beeinträchtigung nach dem Grundsatz volenti non fit injuria ausschließt. Mit der Pfändung des Nacherbenrechtes bedarf es nunmehr der Zustimmung des Pfändungsgläubigers.

b) Verwertung

 

Rz. 102

Hinsichtlich der Verwertung des Nacherbenrechtes, welches vom Gläubiger gepfändet wurde, ist zwischen vor und nach Eintritt des Nacherbfalles zu unterscheiden.

aa) Vor Eintritt des Nacherbfalls

 

Rz. 103

Bis zum Tod des Vorerben oder des Eintritts der notwendigen Bedingung kann der Trennungsgläubiger nach § 844 ZPO vorgehen und die Veräußerung durch den Gerichtsvollzieher erwirken. Der Gerichtsvollzieher wird dann Veräußerungen entweder durch freihändigen Verkauf oder aber durch Versteigerung vornehmen.[109]

Der Nacherbe kann selbstverständlich die Nacherbschaft ausschlagen, wodurch die Pfändung ins Leere läuft. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, ob nicht zuvor der Nacherbe wenigstens konkludent die Nacherbschaft angenommen hat, denn hierdurch wäre eine nachfolgende Ausschlagung unzulässig.

Des Weiteren ist bei einer Verwertung vor Eintritt des Nacherbfalls die Wertfestlegung des Anwartschaftsrechtes problematisch. Gerade bei Vorliegen einer befreiten Vorerbschaft kann bis zum Eintritt des Nacherbfalles der Wert des Anwartschaftsrechtes verringert werden.

[109] A.A. Lange/Kuchinke, § 26 VII 3. Danach erfolgt die Verwertung durch Ermächtigung zum Verkauf an den Gläubiger.

bb) Nach Eintritt des Nacherbfalls

 

Rz. 104

Einfacher ist die Pfändung nach Eintritt des Nacherbfalles. Hier setzt sich das Pfandrecht an den Anspruch des Alleinnacherben nach § 2130 BGB auf Herausgabe der zur Nacherbschaft gehörenden Gegenstände fort.[110] Sämtliche beweglichen Sachen sind somit nach § 847 ZPO zwecks Verwertung an den Gerichtsvollzieher herauszugeben.

Die Herausgabe von Grundstücken richtet sich nach § 848 ZPO. Danach ist das Grundstück bzw. die unbewegliche Sache auf Antrag des Gläubigers hin vom Amtsgericht der belegenen Sache an einen zu bestellenden Sequester herauszugeben und an diesen als Vertreter des Schuldners aufzulassen. Gleichzeitig ist mit der Eintragung des Nacherben im Grundbuch durch den Sequester für den Pfandgläubiger eine Sicherungshypothek nach § 848 Abs. 2 ZPO zu bewilligen.

Auch wenn der Schuldner lediglich Mitnacherbe ist, umfasst das Pfandrecht auch den nach Eintritt des Nacherbfalls entstehenden Auseinand...

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