1. Voraussetzungen

 

Rz. 1

Normalerweise darf eine Zwangsvollstreckung nach § 750 Abs. 1 ZPO erst dann beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. § 779 ZPO bringt hier dem Vollstreckungsgläubiger eine Erleichterung. Nach § 779 Abs. 1 ZPO kann eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners gegen ihn bereits begonnen hatte, in seinen Nachlass fortgesetzt werden. Somit braucht der Titel[1] nicht gegen den oder die Erben umgeschrieben werden, sondern kann weiterhin als Grundlage der Zwangsvollstreckung dienen.

Die Möglichkeit der Fortsetzung gilt unabhängig davon, ob der Erbe schon die Erbschaft angenommen hat oder nicht.

 

Rz. 2

§ 779 ZPO gilt für alle Arten von Zwangsvollstreckungen in den Nachlass.

Nicht anwendbar ist § 779 ZPO auf die Erwirkung unvertretbarer Handlungen nach § 888 ZPO; hier erledigt sich das eingeleitete Vollstreckungsverfahren durch den Tod des Schuldners.[2] Eine weitere Ausnahme bildet hierbei auch die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen, die gegen den Erben selbst zu erfolgen hat.[3] Wurde der Erblasser zur Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO verurteilt, gilt die Erklärung als mit Rechtskraft abgegeben. Somit spielt es keine Rolle, wenn der Erblasser vor dem Eintritt der Rechtskraft verstorben ist.

Ebenso kann eine Eintragung einer Zwangshypothek oder Zwangsversteigerung erfolgen, wenn zur Zeit der Erledigung des Antrages noch die Berichtigung des Grundbuches durch Eintragung des Erblassers als Schuldner und Eigentümer gem. § 17 ZVG bzw. § 39 GBO erforderlich war. Bereits gepfändete Sachen dürfen vom Gerichtsvollzieher versteigert werden. Ferner kann ein bereits erlassener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt werden.

Dementsprechend ist die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung im Ganzen zugelassen, die mit der ersten Vollstreckungsmaßnahme des Gerichtsvollziehers oder des Vollstreckungsgerichtes begonnen hat, also nicht nur die Fortsetzung einer Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme.[4]

Eine Klauselumschreibung nach § 727 ZPO oder eine erneute Zustellung ist nicht notwendig.

 

Rz. 3

Wenn aber beispielsweise ein Grundurteil vollstreckt wird, der Kostenfestsetzungsbeschluss jedoch noch nicht zugestellt wurde, handelt es sich hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses um eine neue Zwangsvollstreckung. Hier gilt § 779 ZPO nicht.

Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens, die erst nach dem Tod des Erblassers entstanden sind, können, da sie zugleich mit dem Anspruch nach § 788 Abs. 1 ZPO beigetrieben werden, auch nach § 779 Abs. 1 ZPO beigetrieben werden.

[1] Gemeint ist nachfolgend immer bei Titel: "vollstreckbare Ausfertigung eines Titels".
[2] Prütting/Gehrlein/Scheuch, ZPO, § 779 Rn 2; BFH BFH/NZ 2007, 1037, 1038; Köln OLGR 2002, 188; Stein/Jonas/Münzberg, § 779 Rn 5; a.A. MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, § 779 Rn 2.
[3] So die h.M. Prütting/Gehrlein/Scheuch, ZPO, § 779 Rn 2; OLG Hamm MDR 1986, 156 m.w.N.; a.A. MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, § 779 Rn 2.
[4] Zöller/Stöber, § 779 Rn 4 m.w.N.

2. Beginn der Zwangsvollstreckung

 

Rz. 4

Eine Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher beginnt mit der ersten gegen den Erblasser als Schuldner gerichteten Vollstreckungshandlung, nicht jedoch bereits mit der schriftlichen Ankündigung des Gerichtsvollziehers, er werde zur Zwangsvollstreckung erscheinen.[5] Die Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht beginnt mit dem Erlass des gerichtlichen Beschlusses, wie z.B. der Vorpfändung nach § 845 ZPO oder der vorhergehenden verfahrensleitenden Verfügung.[6] Somit beginnt die Zwangsvollstreckung bereits vor Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

Für die Frage, ob die Zwangsvollstreckung bereits zu Lebzeiten des Schuldners im Sinne von § 779 Abs. 1 ZPO begonnen hatte, ist nur allgemein darauf abzustellen, ob der Beginn der Zwangsvollstreckung insgesamt vorliegt. Unerheblich ist, ob die bislang durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren.[7]

 

Rz. 5

Stirbt der Schuldner eines Unterlassungstitels, während der Gläubiger ein Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO wegen einer Zuwiderhandlung des Schuldners betreibt und nachdem bereits Beweise über den Vorwurf der Zuwiderhandlung erhoben worden sind, so kommt die Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen die Erben nach dem Grundsatz des § 779 ZPO in entsprechender Anwendung strafrechtlicher Grundsätze und nach dem wesentlichen Zweck der Ordnungsmittel der im § 890 ZPO selbst dann nicht in Betracht, wenn die Beweisaufnahme einen Verstoß des Schuldners bestätigt hat. Das Vollstreckungsverfahren ist in einem solchen Falle vielmehr in der Hauptsache erledigt.[8]

Da § 779 ZPO in diesem Fall nicht anwendbar ist, muss nach den Regeln der §§ 239, 246 ZPO vorgegangen werden.

 

Rz. 6

Hat eine Vollstreckungsmaßnahme gegen den Schuldner nicht zum Erfolg geführt, so können auch noch nach seinem Tode neue und wei...

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