a) Voraussetzungen

 

Rz. 130

Bei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der vor der Bestellung des Nießbrauches entstandenen Verbindlichkeiten des Bestellers die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch gem. § 737 Abs. 1 ZPO zulässig, wenn der Besteller zu der Leistung und der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist.

Das Gleiche gilt nach § 737 Abs. 2 ZPO, bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Nachlassverbindlichkeiten.

Der Besteller eines Nießbrauches kann sich also nicht einfach durch die Bestellung den Gläubigern entziehen.

Die Vorschrift wahrt aber die Rechte des Nießbrauchers bei Geltendmachung des unmittelbaren Zugriffrechtes von Gläubigern des Bestellers. Wird nämlich an einem Vermögen ein Nießbrauch gem. § 1085 BGB bestellt, haftet der Nießbraucher nicht für die Schulden des Nießbrauchbestellers mit der Ausnahme des § 1088 BGB.

Über § 737 ZPO können jedoch die Gläubiger des Nießbrauchbestellers ihrerseits die Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass die Forderungen tatsächlich vor der Nießbrauchbestellung nach § 1086 S. 1 BGB entstanden sind.

 

Rz. 131

Neben der Verurteilung des Bestellers zur Leistung bedarf es eines Duldungstitels gegen den Nießbraucher und alle dem Nießbrauch unterliegende Gegenstände.[137] Dies gilt auch dann, wenn ein Leistungsurteil gegen den Nießbraucher vorliegt oder dieser sogar mit der Zwangsvollstreckung einverstanden ist. Die Notwendigkeit eines Duldungstitels besteht aber nur dann, wenn der Nießbrauch am ganzen Vermögen des Schuldners bestellt ist und der zu vollstreckende Anspruch vor der Vollstreckung entstanden ist.[138] Die Zwangsversteigerung eines Grundstückes kann jedoch ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher angeordnet werden, weil sie das Nutzungsrecht des Nießbrauchers nicht schmälert.[139]

Ein eigenständiger zusätzlicher Duldungstitel ist nicht notwendig, wenn ein Fall des § 738 ZPO vorliegt. Bei Nießbrauchbestellung, wenn die Verbindlichkeit des Bestellers bereits rechtskräftig tituliert war.

Der Duldungstitel kann auch eine notarielle Urkunde des Nießbrauchers mit Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklausel nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO sein.

 

Rz. 132

Ferner wenn die Verbindlichkeit des Bestellers sich auf eine bestimmte Sache bezieht und hierüber ein Rechtsstreit rechtshängig war, als der Nießbrauch am Vermögen gestellt wurde.[140] In diesem Fall findet § 265 ZPO Anwendung, wonach die Rechtshängigkeit das Recht zur Veräußerung der in Streit befangenen Sache nicht ausschließt.

Die Vollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände führt nicht dazu, dass auch in das Privatvermögen des Nießbrauchers vollstreckt werden darf. Zu dem Vermögen des Nießbrauchers gehören auch die Früchte, die der Nießbraucher bereits bezogen hat. Nach §§ 99, 100 BGB sowie als Gebrauchsvorteile nach § 100 BGB fällige, aber noch nicht eingezogene Mit- und Pachtzinsen.

 

Rz. 133

Ist der Nießbrauch für eine Erbschaft bestellt, gelten nach § 737 Abs. 2 ZPO das vorgenannte für titulierte Nachlassverbindlichkeiten. Allerdings können nur Nachlassforderungen vollstreckt werden und nicht gegen den Erben persönlich gerichtete Ansprüche.

 

Rz. 134

Ist der Nießbrauch an einem Vermögen oder an einer Erbschaft erst nach Rechtskraft gem. § 705 ZPO bestellt worden, so erfolgt die Prüfung und Bescheinigung der Duldungspflicht des Nießbrauchers im Klauselverfahren. Dementsprechend sind nach § 738 Abs. 1 ZPO die Vorschriften der §§ 727, 730732 ZPO analog anzuwenden. Das Gleiche gilt auch bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gegen den Erblasser ergangenen Urteils nach § 738 Abs. 2 ZPO. Der Duldungstitel gegen den Nießbraucher wird somit durch eine Klauseländerung des gegen den Besteller ergangenen Leistungsurteils ersetzt. Hierdurch kann dann auch in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände vollstreckt werden. Eine Vollstreckung in das persönliche Vermögen des Nießbrauchers ist aber auch nach § 738 ZPO ausgeschlossen, sofern kein persönlicher Titel gegen den Nießbraucher vorliegt.

§ 738 ZPO erweitert somit die Möglichkeiten der Titelumschreibung nach § 727 ZPO. Anders als bei einer Umschreibung, die im Falle der Nießbrauchbestellung nach Rechtshängigkeit des Anspruches, aber vor Rechtskraft des Urteils möglich ist, braucht der mit dem Nießbrauch belasteten Gegenstand nicht gem. § 265 ZPO streitbefangen zu sein.[141] Dies hat erhebliche Bedeutung für Geldforderungen. Bei Herausgabetiteln erstreckt sich der später bestellte Nießbrauch auch auf diese Sache. Eine analoge Anwendung des § 727 ZPO ist nicht notwendig.

 

Rz. 135

Die notwendige Klausel erteilt nach § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger. Der Nießbraucher ist als Vollstreckungsschuldner zu beteiligen und anzuhören. Ein Nachweis, welche Gegenstände zum Vermögen des Bestellers gehören und mit einem Nießbrauch belastet sind, ist nicht notwendig. Gegebenen...

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