Rz. 61

Zunächst ist umstritten, ob es sich bei der Zwangsvollstreckung des Wertermittlungsanspruchs um eine vertretbare oder unvertretbare Handlung handelt.

Die überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung bewertet zu Recht den Wertermittlungsanspruch aus § 2314 BGB als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO.[66]

Ein Teil der Rechtsprechung[67] sieht dies mit beachtlichen Gründen hingegen nicht so. Die Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung einer Entscheidung, mit der ein Schuldner zur Vorlage von Gutachten über den Wert von Grundstücken bzw. Bildern verurteilt wurde, richte sich nach dieser Auffassung als vertretbare Handlung nach § 887 ZPO. Die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO finde statt, wenn der Schuldner zu einer Handlung verpflichtet ist, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann (vertretbare Handlung). Dies stelle dann eine vertretbare Handlung dar, wenn der Schuldner an der Gutachtenerstattung nicht persönlich mitwirken muss oder sein Widerstand gegen eine notwendige Maßnahme nicht nach § 892 ZPO gebrochen werden kann. Die titulierte Verpflichtung zur Gutachtenvorlage könne ein Dritter erfüllen. Notwendig hierzu sind im Wesentlichen nur der Gutachtenauftrag, die Bezahlung des Gutachtens sowie die Vorlage des erstellten Gutachtens an den Gläubiger. Diese Handlungen könnten auch Dritte, z.B. die Gläubiger selbst, vornehmen. Soweit hierzu das Betreten der Grundstücke, die Herausgabe von Unterlagen oder die Vorlage des Bildes notwendig sein sollten, hätte ein Widerstand gemäß § 892 ZPO vom Gerichtsvollzieher gebrochen werden dürfen und können.

Die überwiegende Rechtsprechung argumentiert, eine Vollstreckung des Wertermittlungsanspruchs im Wege der Ersatzvornahme sei zwar theoretisch denkbar, weil der Anspruchsberechtigte sich gem. § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigen lassen könnte, selbst einen Gutachter mit der Wertermittlung des Grundstückes zu beauftragen und sich zu diesem Zweck einen Vorschuss gem. § 887 Abs. 2 ZPO zu Lasten des Schuldners zusprechen lassen könnte. Für das Vollstreckungsverfahren kann es jedoch nicht auf die theoretische Möglichkeit einer bestimmten Art der Vollstreckung ankommen.[68] Vielmehr muss dem Gläubiger eine wirksame und zweckentsprechende Zwangsvollstreckung ermöglicht werden. Dieses Ziel wird bei der Vollstreckung des Wertermittlungsanspruchs von Nachlassgegenständen nicht über § 887 ZPO erreicht. Üblicherweise bedarf der für die Wertermittlung heranzuziehende Sachverständige der Mitwirkung des Schuldners, der sich im Besitz der Nachlassgegenstände und aller erforderlichen Informationen oder Unterlagen befindet. Verweigert er die Mitarbeit oder die Herausgabe solcher Unterlagen (z.B. Baupläne, Mietverträge etc.), was zu Beginn des Vollstreckungsverfahrens regelmäßig nicht erkennbar sein wird, so müsste der Schuldner über § 888 ZPO zur Herausgabe der notwendigen Informationen oder Unterlagen gezwungen werden. Das würde in solchen Fällen auf eine ungewollte "doppelte Vollstreckung" hinauslaufen.

 

Rz. 62

Auch der BGH[69] hatte bereits deutlich gemacht, dass der Weg über § 888 ZPO der angemessene sei. So könne sich zwar ein Kläger darauf beschränken, das von ihm gewünschte Sachverständigengutachten selbst in Auftrag zu geben und den Beklagten lediglich auf Duldung und Vorlage der erforderlichen Unterlagen in Anspruch zu nehmen. Aber ein solches Verlangen sei nicht ausreichend. Der BGH[70] hatte schon vorher ausgeführt, ein Duldungsurteil böte gegen den Beschenkten keine ausreichend sichere Grundlage dafür, dass der Pflichtteilsberechtigte mit seiner Hilfe ein für seine Zwecke brauchbares Sachverständigengutachten auch tatsächlich erlangt. Wird der Beschenkte dagegen verurteilt, das Gutachten selbst einzuholen, dann bietet § 888 ZPO bessere Möglichkeiten, auch widerstrebende oder böswillige Verpflichtete zu etwa erforderlicher zusätzlicher Mitwirkung bei der Erstellung des Gutachtens im Wege der Zwangsvollstreckung zu veranlassen.

Bei der Klage bzw. der Vollstreckung können zwei unterschiedliche Wege beschritten werden. So kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Erbe den Wert der Nachlassgegenstände ermittelt und diesen Wert mitteilt. Ferner kann er auch die Herausgabe sämtlicher Unterlagen und Informationen vom Pflichtteilsberechtigten fordern, um die Wertermittlung selber vorzunehmen. Wie oben bereits der BGH ausgeführt hat, erscheint dies nicht der sicherste Weg für den Mandanten zu sein und wird sich daher im Regelfall nicht anbieten.[71] Nur wenn der Pflichtteilsberechtigte seine Ansprüche lediglich überschlägig ermitteln will, erscheint die Faktenvorlage der geeignete Weg zu sein. Eine Spezifizierung der einzelnen Unterlagen erfolgt im Übrigen erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Hier muss im Regelfall ein Sachverständiger eingeschaltet werden.

Die Frage, ob der erbrechtliche Wertermittlungsanspruch als unvertretbare oder als vertretbare Handlung vollstreckbar ist, kann somit nicht pauschal und summarisch, sondern nur anhand der Beurteilung der konkreten...

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