Rz. 41

Je nach der Größe des bleibenden Prozessrisikos muss der Bevollmächtigte mit dem Mandanten alternative Verfahrensweisen erörtern, die die Beweislage verbessern; auch taktische Möglichkeiten in der Prozessführung müssen analysiert werden.

1. Die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen

 

Rz. 42

Immer wieder verkannt wird, dass der Bevollmächtigte die Beweissituation seines Mandanten durch die außergerichtliche oder auch gerichtliche Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegenüber Dritten oder aber auch gegenüber dem potenziellen Gegner verbessern kann.

 

Rz. 43

Die Pflicht zur Auskunftserteilung kann sich aus unterschiedlichen Quellen ergeben, z.B.

aufgrund gesetzlicher Regelungen,

aufgrund konkreter vertraglicher Regelungen,

 

Tipp

Ist der Bevollmächtigte auch in der vertraglichen Beratung tätig, sollte er hier bereits darauf achten, welche möglichen Anspruchskonstellationen sich für seinen Mandanten bei der vertraglichen Abwicklung ergeben können. Im Hinblick hierauf sollte er Auskunftsansprüche zu den den Anspruch begründenden Tatsachen in die vertraglichen Regelungen aufnehmen. Dies gibt dem Bevollmächtigten bei der späteren Auseinandersetzung die Möglichkeit, entweder außergerichtliche Auskunftsansprüche geltend zu machen oder aber unmittelbar gerichtlich im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) vorzugehen.

aufgrund von Nebenpflichten aus einem Vertragsverhältnis.
 

Rz. 44

Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die Auskunftspflicht auch die Verpflichtung umfasst, Urkunden, Augenscheinsobjekte oder sonstige Unterlagen herauszugeben.

 

Rz. 45

 

Beispiel

So ist der Auftragnehmer nach § 666 BGB zunächst verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Auskünfte über den Stand des Geschäftes zu erteilen und nach Ausführung des Auftrages Rechenschaft hierüber abzulegen. Dabei umfasst die Rechenschaftspflicht nach § 667 BGB die Verpflichtung, alles, was der Beauftragte in Ausführung des Auftrages erhalten oder erlangt hat, an den Auftraggeber herauszugeben (d.h. auch Urkunden).

 

Rz. 46

 

Beispiel

Nach § 87 HGB hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen wurden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Nach § 87c HGB hat der Unternehmer über die Provision, auf die der Handelsvertreter Anspruch hat, monatlich abzurechnen, wenn der Abrechnungszeitraum vertraglich nicht auf einen Zeitraum von bis zu drei Monaten erstreckt wurde. Nach § 87c Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter nunmehr neben der Abrechnung einen Anspruch auf einen Buchauszug über alle Geschäfte, für die ihm nach § 87 HGB eine Provision zusteht.

2. Die gerichtliche Anordnung auf Vorlage von Urkunden, Akten und Augenscheinsobjekten, §§ 142 ff. ZPO

 

Rz. 47

Zeigt sich erst während des gerichtlichen Verfahrens, dass die Notwendigkeit besteht, weitere Urkunden, Akten oder Augenscheinsobjekte vorzulegen, und befinden sich diese nicht im Besitz des Mandanten, sondern eines Dritten oder der gegnerischen Partei, so eröffnen die §§ 142144 ZPO den Bevollmächtigten besondere Möglichkeiten.

 

Rz. 48

Nach § 142 ZPO kann das Gericht anordnen, dass entweder eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder in seinem Besitz befindlichen Urkunden oder sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Die Vorlagepflicht besteht dabei selbstverständlich nur dann, wenn die Bezugnahme eine erhebliche Tatsache betrifft. Für die Vorlage der Urkunde kann das Gericht eine Frist bestimmen. So kann das Gericht etwa die Vorlage ärztlicher Unterlagen eines behandelnden Arztes als Dritten anordnen.[16] Auch der Insolvenzverwalter kann als Dritter zur Vorlage von Urkunden der Gemeinschuldnerin verpflichtet werden.[17] § 142 Abs. 1 ZPO ist auch anwendbar, wenn sich der beweispflichtige Prozessgegner auf eine Urkunde bezogen hat, die sich im Besitz der nicht beweisbelasteten Partei befindet.[18]

 

Rz. 49

Die Bezugnahme muss aber in einer konkreten Behauptung bestehen, die durch die herausverlangte Urkunde lediglich nachgewiesen werden soll. § 142 ZPO dient nicht dazu, einer Partei die Darlegungslast dadurch zu erleichtern, dass das Gericht eine Ausforschung betreibt. Das Gericht ist deshalb nicht gehalten, auf den Vortrag einer Partei, weiterer, die Schlüssigkeit der Klage herbeiführender Vortrag befinde sich in bei ihr und bei dem Prozessgegner verfügbaren Aktenordnern, die Vorlage dieser Akten anzuordnen.[19]

 

Rz. 50

Die vom OLG Frankfurt[20] und im Schrifttum[21] vertretene Auffassung, nach welcher der nicht beweisbelasteten Partei die Vorlage einer in ihrem Besitz befindlichen Urkunde zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht von Amts wegen nach § 142 Abs. 1 ZPO, sondern nur unter den Voraussetzungen der §§ 422, 423 ZPO aufgegeben werden kann, hat der BGH verworfen.[22] Nach dieser Ansicht käme es aus Sicht des BGH zu einer nicht auflösbaren Diskrepanz zu den §§ 422, 423 ZPO, wenn § 142 Abs. 1 ZPO in diesen Fällen eine Anordnung allein deswegen rechtfertigen würde, weil die beweispflichtige Partei sich auf die Urkunde bezogen hat. Eine solche Einsch...

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