I. Muster: Begutachtung durch den Arzt des Vertrauens/Parteigutachten

 

Rz. 68

Muster 10.10: Begutachtung durch den Arzt des Vertrauens/Parteigutachten

 

Muster 10.10: Begutachtung durch den Arzt des Vertrauens/Parteigutachten

_________________________ (Adresse)

Sehr geehrte/r Herr/Frau _________________________,

das Sozialgericht hat im Rahmen der ihm nach § 103 SGG obliegenden Amtsermittlung zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten bei _________________________ in Auftrag gegeben. Dieses liegt zwischenzeitlich vor. Leider stützt dieses nach § 106 SGG erstellte Gutachten den von Ihnen geltend gemachten Klageanspruch nicht (hinreichend). Daher hat das Gericht angefragt, ob Sie die Klage aufrecht halten wollen, da es seinerseits die Sachverhaltsaufklärung für abgeschlossen ansieht. Bitte beachten Sie die insoweit gesetzte Stellungnahmefrist, nach deren Ablauf das Gericht die Klage vermutlich abweisen wird.

Ihnen steht im Verfahren vor den Sozialgerichten das Recht zu, dass ein Gutachten durch einen Arzt Ihres Vertrauens gem. § 109 SGG erstellt wird. Die Kosten hierfür müssen jedoch von Ihnen selbst (oder über Ihre Rechtsschutzversicherung) getragen werden, eine Kostenübernahme über Prozesskostenhilfe kommt insoweit nicht in Betracht.

Sollten Sie ein Gutachten nach § 109 SGG in Betracht ziehen, dann müssen Sie dem Gericht mitteilen, welcher Arzt auf welchem Fachgebiet Sie begutachten soll und welche Fragen dieser – eventuell ergänzend zu den Fragen, die der gerichtliche Sachverständige beantworten musste – beantworten soll. Von der Benennung Ihres behandelnden Arztes ist in der Regel abzuraten, weil diesem allzu häufig ein zu enges Näheverhältnis zum Patienten unterstellt wird, wodurch das Ergebnis seiner Begutachtung gegebenenfalls entwertet wäre.

Bitte klären Sie noch vor Benennung eines Arztes ab, ob dieser überhaupt bereit wäre, das Gutachten zu erstellen, da bei einer Zurückweisung des Gutachtensauftrags der Antrag nach § 109 SGG verbraucht wäre.

Mit freundlichen Grüßen

_________________________

(Rechtsanwalt)

II. Erläuterungen

 

Rz. 69

Die Möglichkeit, ein Gutachten durch einen vom Kläger benannten Sachverständigen durch das Gericht in Auftrag geben zu lassen, ist eine sozialgerichtliche Besonderheit und bietet ein Gegengewicht zu den nach § 106 SGG vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten.

 

Rz. 70

a) Zulässigkeit des Antrags

Der Antrag nach § 109 SGG stellt eine Prozesshandlung dar, die laut Gesetz grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt im Verfahren zulässig ist, es sei denn, die Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG rechtfertigen die Ablehnung des Antrags durch das Gericht. Spätestens sobald das Gericht mitteilt, dass es die Sachverhaltsaufklärung für abgeschlossen ansieht und in diesem Zusammenhang womöglich eine Frist zur Stellungnahme setzt, sollte geklärt werden, ob von der Möglichkeit des § 109 SGG Gebrauch gemacht werden soll, da insoweit eine von der Rechtsprechung herausgebildete, ungeschriebene Ausschlussfrist von etwa einem Monat gilt.

 

Rz. 71

b) Inhalt des Antrags

Der Antrag richtet sich auf die Beauftragung eines bestimmten Arztes durch das Gericht – nicht durch den Kläger selbst. Der Kläger hat dem Gericht daher möglichst konkret mitzuteilen, welcher Arzt sein Vertrauen genießt und mit der Erstellung eines Parteigutachtens betraut werden soll.

Empfehlenswert ist neben der Eingrenzung des medizinischen Fachgebiets, auf dem das Gutachten erhoben werden soll, auch die Mitteilung eines Fragenkatalogs, den der Gutachter zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beantworten soll.

 

Rz. 72

c) Kosten des Antrags

Gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 SGG fallen auch dann Kosten für die Klagepartei an, wenn diese ansonsten gemäß § 183 SGG Gerichtskostenfreiheit in Anspruch nehmen kann. Das Gericht macht die Beauftragung des Parteigutachters in aller Regel von der Einzahlung eines angemessenen Vorschusses abhängig, wobei Prozesskostenhilfe hierfür gemäß § 73a Abs. 3 SGG nicht in Anspruch genommen werden kann. Soweit das Parteigutachten jedoch für Verlauf und Ausgang des Verfahrens dienlich war, kann spätestens nach Abschluss des Verfahrens die Übernahme der Gutachtenskosten auf die Staatskasse beantragt werden.

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