I. Muster: Möglichkeiten bei Versäumung der Rechtsbehelfsfrist II – Wiedereinsetzungsantrag nach § 27 SGB X

 

Rz. 49

Muster 10.8: Möglichkeiten bei Versäumung der Rechtsbehelfsfrist II – Wiedereinsetzungsantrag nach § 27 SGB X

 

Muster 10.8: Möglichkeiten bei Versäumung der Rechtsbehelfsfrist II – Wiedereinsetzungsantrag nach § 27 SGB X

_________________________ (Adresse)

Sehr geehrte/r Herr/Frau _________________________,

Am Ende jedes Bescheides findet sich im Regelfall eine Rechtsbehelfsbelehrung. Hier wird ausgeführt, was zu tun ist, wenn der Bescheid nach Ansicht des Adressaten fehlerhaft ist und zur Überprüfung gestellt werden soll. Nach Ablauf der Frist wird der Bescheid bestandskräftig und damit rechtsverbindlich. Ein Bescheid kann jedoch auch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist angefochten werden, wenn der Adressat ohne Verschulden an dem Einhalten der Frist gehindert war. In diesem Fall kann er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, § 27 SGB X. Wird dem Antrag stattgegeben, so wird in das Verfahren wieder eingetreten, als wäre der Rechtsbehelf rechtzeitig erhoben worden.

1. Frist

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, welches eine fristgemäße Einlegung des Rechtsbehelfs verhindert hat. Absolute Grenze für die Antragsstellung ist ein Jahr nach Fristablauf.

2. Zuständige Behörde

Zuständig ist die Behörde, die auch für die Entscheidung in der Sache zuständig ist. Das ist z.B. beim versäumten Widerspruch die Widerspruchsbehörde.

Die zuständige Behörde ist vorliegend die/das _________________________.

3. Voraussetzungen

Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass die Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Verschulden liegt nicht vor, wenn der Adressat diejenige Sorgfalt beachtet hat, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zuzumuten ist. Möglich sind Fälle wie schwere Erkrankungen, besondere Sprach-/Verständnisschwierigkeiten, Urlaubsabwesenheit etc., wobei es jedoch auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Der Antragsteller muss seinen Antrag begründen und mit dem Wiedereinsetzungsantrag darlegen und ggf. beweisen, dass sein Verhalten, welches zur Fristversäumnis geführt hat, unverschuldet war.

4. Entscheidung

Bei Stattgabe des Antrags wird Wiedereinsetzung in das Verfahren gewährt. Bei Ablehnung des Antrags entscheidet die zuständige Stelle per neuem Bescheid bzw. Beschluss, dass der Wiedereinsetzungsantrag wegen Fristversäumnis zurückgewiesen wird.

Mit freundlichen Grüßen

_________________________

(Rechtsanwalt)

II. Erläuterungen

 

Rz. 50

Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ist der Bescheid bestandskräftig und grundsätzlich nicht mehr angreifbar. Die Rechtskraft dient der Rechtssicherheit. Das Institut des Wiedereinsetzungsantrags soll einen Ausgleich zwischen dem Interesse an der Rechtssicherheit auf der einen Seite und des materiellen Rechts auf der anderen Seite schaffen. Der Wiedereinsetzungsantrag ist bei der Versäumung gesetzlicher Fristen statthaft, bei rein behördlichen Fristen ist er nicht erforderlich. § 27 SGB X kann auch bei Ausschlussfristen zulässig sein, soweit sich aus § 27 Abs. 5 SGB X nicht ergibt, dass die Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Wann eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist, richtet sich nach dem Zweck der Frist und insbesondere danach, wie der Gesetzgeber einerseits das öffentlich-rechtliche Interesse an der Einhaltung der Frist, andererseits das Interesse des einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung bewertet.[7] In der Bezeichnung als Ausschlussfrist in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte kann ein Indiz dafür liegen, dass eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung z.B. bei der Frist zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung nach § 197 Abs. 1, 2 SGB VI sowie bei der Versäumung der Frist zur Wiederbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Kein Ausschluss wird dagegen angenommen für die Frist zur Beantragung von Elterngeld nach § 7 Abs. 1 BEEG, für die Antragsfrist auf freiwillige Krankenversicherung nach § 9 Abs. 2 SGB V und für die Antragsfrist zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III.

 

Rz. 51

& Zu 1.

a) Zwei-Wochen-Frist

Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von zwei Wochen beantragt werden, nachdem das Hindernis behoben ist. Maßgeblich für die Fristberechnung ist der Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses, nicht hingegen der Zeitpunkt, in welchem dem Antragsteller die Fristversäumnis bekannt geworden ist. Fällt das Hindernis noch während der Rechtsbehelfsfrist weg, so ist die Rechtsbehelfsfrist maßgeblich. Der Antragsteller hat in diesen Fällen keine zweiwöchige Überlegungsfrist, auch wenn ihm für die Einlegung des Rechtsbehelfs so weniger Zeit verbleibt. Die Frist kann demgemäß erst nach Ablauf der Ursprungsfrist beginnen.

 

Rz. 52

b) Jahresgrenze

Zu beachten ist die absolute Grenze für die Antragsstellung. Diese beträgt nach § 27 Abs. 3 SGB X ein Jahr nach Fristablauf. Nach Ablauf der Jahresfrist ist sowohl der Antrag als auch die...

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