Rz. 92

Soll ein Nachlasswert (Schmuck, eine besondere Geldzuwendung, eine Immobilie) in einer bestimmten Art und Weise zugeordnet werden, ist dem Mandanten die zentrale Frage zu stellen: Soll einem Miterben durch die Anordnung ein wirtschaftlicher Vorteil gewährt werden?[98]

Wird diese Frage ohne Einschränkungen bejaht, wird ein Vorausvermächtnis das angebrachte Gestaltungsmittel sein. Der mit einem Vorausvermächtnis bedachte Miterbe erhält die Zuwendung "vorab", ohne dass sie auf seinen Erbanteil angerechnet wird.

Verneint der Mandant die Frage, kommt eine Teilungsanordnung in Betracht. Der Miterbe muss sich die Zuwendung voll auf seinen Erbteil anrechnen lassen. Besteht ein an vier Miterben zu verteilender Nachlass beispielsweise aus einem Bankvermögen von 950.000 EUR und einer Immobilie mit einem Wert von 250.000 EUR, erhält der Miterbe, der nach der Teilungsanordnung die Immobilie übertragen bekommt, vom Bankvermögen nur noch 50.000 EUR ([950.000 EUR + 250.000 EUR] / 4 – 250.000 EUR).

Problematisch ist, wenn ein Miterbe durch die Teilungsanordnung einen Vermögensvorteil erhält, der über seinen Erbteil hinausgeht. Besteht etwa in Abwandlung des obigen Beispiels der an vier Miterben zu verteilende Nachlass aus einem Bankvermögen von lediglich 550.000 EUR und einer Immobilie mit einem Wert von 250.000 EUR, würde der Miterbe, der nach der Teilungsanordnung die Immobilie übertragen bekommt, 50.000 EUR mehr erhalten, als seiner Quote entspricht ([550.000 EUR + 250.000 EUR] / 4 = 200.000 EUR wäre sein Anteil nach der Quote).

Mit dem Mandanten ist zu klären: Wie soll hinsichtlich der Differenz verfahren werden? Soll der Miterbe, der nach der Teilungsanordnung die Immobilie übertragen bekommt, aus seinem eigenen Vermögen an die Miterben ausgleichen ("reine, nicht wertverschiebende Teilungsanordnung") oder erhält er diesen Vorteil zusätzlich als Vorausvermächtnis ("überquotale Teilungsanordnung")? Die Frage ist auch zu klären, wenn sie zur Zeit der Testamentserrichtung nicht akut scheint. Nur dann bleibt die letztwillige Verfügung für den Mandanten nützlich, auch wenn tatsächliche Änderungen bei der Größe (z.B. Bankguthaben) oder der Bewertung (z.B. Immobilien) des Vermögens des Mandanten eintreten.

Schließlich kann einem oder mehreren Miterben auch in flexibler Art und Weise lediglich die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Vermögensgegenstand zu übernehmen (so genanntes "Übernahmerecht").

Soweit ein Miterbe an die anderen voraussichtlich einen Ausgleich aus dem eigenen Vermögen wird zahlen müssen, sollten die Modalitäten (Fristen etc.) genau geregelt werden. Durch eine längere Zahlungsfrist wird dem Miterben oft erst ermöglicht, eine solide Finanzierung zu organisieren.

[98] Vgl. auch Muscheler, ErbR 2008, 105–110.

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