I. Erbrechtliche Ausschließungsgründe

 

Rz. 179

Das Erbrecht[171] kann ausgeschlossen sein, wenn der Erbe ausgeschlagen hat oder er für erbunwürdig erklärt wurde. Seltener wird ein Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entzogen haben. Hingegen nehmen die Fälle des Erb- und/oder Pflichtteilsverzichts aus gutem Grund in der Praxis zu, weil der Erblasser sich seine absolute Testierfreiheit "etwas kosten" lässt. Hat ein nichteheliches Kind gegenüber seinem Vater in der Zeit vor dem 1.4.1998 den vorzeitigen Erbausgleich geltend gemacht und Leistungen erhalten, so besteht auch in diesem Falle kein gesetzliches Erbrecht mehr.

[171] Vgl. zu den rechtspolitischen Gesichtspunkten des Erb- und Pflichtteilsrechts Strätz, FamRZ 1998, 1553.

1. Die Wirkung der Erbausschlagung gemäß § 1953 BGB

 

Rz. 180

Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so gilt gemäß § 1953 Abs. 1 BGB der Anfall der Erbschaft an den Erben als nicht erfolgt. Die Erbschaft fällt dann gemäß § 1953 Abs. 2 BGB demjenigen an, der erben würde, wenn der Ausschlagende den Erbfall nicht erlebt hätte. Durch die Ausschlagung verliert der Erbe gegebenenfalls auch seinen Pflichtteilsanspruch. Nur in Ausnahmefällen, wie die der Ausschlagungsmöglichkeit nach §§ 2306 Abs. 1, 2307 BGB bei entsprechenden testamentarischen Anordnungen oder im Falle des § 1371 Abs. 3 BGB (hier bei gesetzlichem Ehegattenerbrecht!) bleibt trotz Ausschlagung das Recht auf den Pflichtteil erhalten.[172] Zu der Frage, wann eine Erbschaft sinnvollerweise ausgeschlagen werden sollte, siehe Rdn 392 ff.

[172] Kerscher/Tanck, Die "taktische" Ausschlagung, ZAP 1997, 689.

2. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht nach § 2346 BGB

 

Rz. 181

Gemäß § 2346 Abs. 1 BGB können die zu gesetzlichen Erben berufenen Verwandten und der Ehegatte auf das gesetzliche Erbrecht verzichten. Ein Erbverzicht umfasst dem Wortlaut des Gesetzes nach auch einen Pflichtteilsverzicht. Es wird in der Regel angenommen, dass der Verzichtende auch auf sein Pflichtteilsrecht verzichten will (§ 2346 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB). Dennoch ist es nach herrschender Ansicht möglich, dass der Verzichtende sich entgegen dem Wortlaut des § 2346 BGB sein Pflichtteilsrecht vorbehält.[173] Nach § 2346 Abs. 2 BGB kann der Verzicht auf den Pflichtteil beschränkt werden. Dies ist für die Praxis ein sehr wichtiger Fall eines Verzichts – denn das gesetzliche Erbrecht könnte der Erblasser auch ohne Vertrag mit dem Erben durch einseitiges Testament gem. § 1938 BGB ausschließen, dazu bedarf es keines Vertrages zwischen Erblasser einerseits und gesetzlichem Erben andererseits.

 

Rz. 182

Der Erbverzicht führt dazu, dass der Verzichtende im Erbfall so zu behandeln ist, als wäre er bereits vor dem Erblasser verstorben. Der Erbverzicht erstreckt sich im Zweifel auf die Abkömmlinge des Verzichtenden und schließt damit den ganzen Stamm des Verzichtenden von der Erbfolge aus. Ein Erbverzicht wirkt sich jedoch nicht in umgekehrter Richtung aus. Stirbt also der Enkel eines nach § 2349 BGB verzichtenden Kindes, so werden die Großeltern Erben, wenn die Eltern bereits vorverstorben sind.

 

Rz. 183

 

Beispiel

Erblasser E hinterlässt seine Ehefrau F sowie seine drei Kinder K1, K2 und K3. F und K1 haben einen Erbverzichtsvertrag geschlossen. K1 hinterlässt ein Kind, den Enkel E1. K2 ist vorverstorben, er hinterlässt ebenfalls ein Kind, den Enkel E2.

Erben werden Kind K3 und der Enkel E2, der an die Stelle seines verstorbenen Vaters tritt. Der Erbverzicht von K1 erstreckt sich gemäß § 2349 BGB auch auf seinen Abkömmling E1. Die Ehefrau F hat ebenfalls einen Erbverzicht abgegeben und scheidet deshalb von der Erbfolge aus. Durch diese Erstreckenswirkung des § 2349 BGB auf die Abkömmlinge unterscheidet sich der Erbverzicht von den anderen Gründen (z.B. Erbunwürdigkeit), die zum Wegfall eines Erben führen können.

 

Rz. 184

Ein in der Praxis auftretendes Problem ist die Frage nach der Aufhebung des Erb- und Pflichtteilsverzichts gemäß § 2351 BGB zu Lebzeiten der Parteien, wenn ein Abkömmling den Erb- und Pflichtteilsverzicht angesichts einer Erbauseinandersetzung unter Miterben abgegeben und von der Erbengemeinschaft dafür eine Abfindung erhalten hat. In diesem Fall ist unklar, ob die Miterben, die die Abfindung gezahlt haben, der Aufhebung des Erbverzichts zustimmen müssen. Vgl. zur Aufhebung eines Erbverzichts mit Drittwirkung Kuchinke, ZEV 2000, 169.

 

Rz. 185

 

Beispiel

Erblasser E verstirbt und hinterlässt seine Ehefrau F sowie die Kinder K1 und K2. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Betrieb und einem Privatgrundstück. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein. Die Erbengemeinschaft setzt sich so auseinander, dass Kind K1 einen Erb- und Pflichtteilsverzicht gegenüber der Mutter abgibt und dafür aus dem Nachlass des E eine Abfindung erhält. Zugleich schließt die Mutter einen Erbvertrag mit K2, in dem sie ihm im Wege des Vermächtnisses ihre Anteile am Betrieb zuwendet. Zwei Jahre später heben die Mutter und K1 ihren Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag auf. Die Mutter setzt sodann Kind K1 zum Alleinerben ein.

Da der Erbverzichtsvertrag nur zwischen der Ehefrau F und den Verzichtenden geschlossen wurde, war die Aufhebung wirksam...

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