Rz. 112

Nach § 174 Abs. 3 ZPO kann die Zustellung eines Schriftstückes auch als elektronisches Dokument erfolgen. Elektronische Dokumente sind solche, deren Bearbeitung besondere technische und organisatorische Voraussetzungen erfordern.[86] Hierzu zählt nicht das Computerfax, da dieses mit einem einfachen Telefaxgerät empfangen werden kann.[87]

 

Rz. 113

Beachtet werden muss dabei, dass die Zustellung auf die kraft ihres Berufes besonders zuverlässigen Personen des § 174 Abs. 1 ZPO beschränkt ist, d.h. auf Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater oder sonstige kraft ihres Berufes besonders zuverlässige Personen. Eine Zustellung als elektronisches Dokument an eine Privatperson kommt also zunächst kraft Gesetzes nicht in Betracht.

 

Rz. 114

§ 174 Abs. 3 ZPO erlaubt allerdings auch die Einbeziehung weiterer Verfahrensbeteiligter und damit auch von Privatpersonen – etwa von Zeugen –, soweit diese der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt haben. Für Zeugen der eigenen Partei kann eine solche Zustimmungserklärung ggf. schon der Klageschrift bzw. Klageerwiderung beigefügt werden, um so die Kosten und den Aufwand möglichst gering zu halten und damit auch Zeitvorteile in der Bearbeitung der Verfahren zu erreichen.

 

Rz. 115

 

Hinweis

Um eine Zustellung als elektronisches Dokument an einen sonstigen Verfahrensbeteiligten zu veranlassen, genügt es allerdings nicht, dass dieser über eine E-Mail-Adresse verfügt und diese auf offiziellen Schreiben angibt. Erforderlich ist vielmehr, dass eine ausdrückliche Zustimmungserklärung vorgelegt wird, die sich auf das konkrete Verfahren bezieht.[88] Die Möglichkeit der Zustellung eines elektronischen Dokumentes an einen sonstigen Verfahrensbeteiligten mit dessen Zustimmung bedeutet dann zugleich, dass an diesen mittels Empfangsbekenntnisses zugestellt wird, so dass sich ein Wertungswiderspruch zu § 174 Abs. 1 ZPO ergibt, der in der Praxis jedoch zu keinen Problemen führen dürfte. Keinesfalls kann § 174 Abs. 3 so ausgelegt werden, dass hier nur die in § 174 Abs. 1 ZPO erfassten Personen erfasst werden sollen.[89] Der eindeutige Wortlaut und die Gesetzgebungsgeschichte[90] stehen dem entgegen.

 

Rz. 116

Die Vorteile der Zustellung eines Schriftstückes als elektronisches Dokument liegen auf der Hand. Neben der Geschwindigkeit der Kommunikation bedarf es auch keiner aktenmäßigen Archivierung der Dokumente mehr, was sowohl zu einem deutlich geringeren Platzbedarf als auch zu einem entsprechend reduzierten Arbeitsaufwand im Büro des Rechtsanwaltes führen wird. Daneben kann das Dokument unmittelbar elektronisch weiterverarbeitet werden. Es muss also weder abgeschrieben noch eingescannt werden, um dies zu ermöglichen. So können etwa angegriffene Aussagen eines Gutachtens in den zu fertigenden Schriftsatz integriert werden, um für das Gericht den Angriff visuell noch deutlicher werden zu lassen.

 

Rz. 117

 

Beispiel

In einer Verkehrsunfallsache kann der Rechtsanwalt die von dem Sachverständigen simulierte Unfallörtlichkeit in seinen Schriftsatz übernehmen und an dieser Skizze sodann durch weitere Zeichen erläutern, wo und warum sich seine Auffassung vom Unfallhergang von der des Sachverständigen unterscheidet.

 

Rz. 118

Erforderlich ist, dass das zuzustellende elektronische Dokument mit einer elektronischen Signatur nach der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (Signaturrichtlinie) (eIDAS) i.V.m. dem Vertrauensdienstgesetz[91] versehen ist und somit der unerkannten Veränderung durch Dritte entzogen wird. Mit dieser Zustellungsform wird es in Kombination mit §§ 130a, 128a ZPO und § 126a BGB möglich, ein Gerichtsverfahren gänzlich elektronisch zu führen.

 

Rz. 119

Der Rechtsanwalt muss das Dokument gem. § 130a ZPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

 

Rz. 120

Die elektronische Signatur hat dabei zwei Funktionen: Einerseits belegt sie die Unversehrtheit der Nachricht; diese wurde mithin nicht durch einen Dritten verändert. Andererseits lässt sie die zweifelsfreie Feststellung der Herkunft zu.

 

Rz. 121

Die eIDAS-VO unterscheidet in Art. 3:

(einfache) "elektronische Signatur", d.h. Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet;
"fortgeschrittene elektronische Signatur", d.h. eine elektronische Signatur, die die Anforderungen des Artikels 26 erfüllt sowie
"qualifizierter elektronischer Signatur", d.h. einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht.
 

Rz. 122

 

Hinweis:

Art. 25 Abs. 1 der eIDAS-VO normiert – anders als unter der Geltung des SigG – dass auch einer einfachen elektronischen Signatur die Rech...

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