1. Landesrecht

 

Rz. 215

Neben dem sozialrechtlichen Bundesrecht gibt es auch sozialrechtliches Landesrecht. Dazu gehören das Blindengeld und in einzelnen Bundesländern auch das Gehörlosengeld.[115] Nach den Landesblindengeldgesetzen der Länder wird das Blindengeld unabhängig von Einkommen und Vermögen des Blinden gewährt. Zuflüsse aus Erbfall und Schenkung sind daher leistungsneutral.

Subsidiär ist die Blindenhilfe aber im SGB XII, d.h. im Rahmen des § 72 SGB XII. Es gelten die Nachrangregeln zum Einsatz von Einkommen und Vermögen.

 

Rz. 216

Von erheblicher praktischer Bedeutung in allen Fällen der Heimpflegebedürftigkeit ist das Pflegewohngeld, das in

Nordrhein-Westfalen,[116]
Schleswig-Holstein,[117]
Mecklenburg-Vorpommern[118]

gewährt wird. In anderen Bundesländern wurde es trotz der erheblichen Bedeutung für die Pflegebedürftigen wieder abgeschafft oder gar nicht erst geschaffen.

 

Rz. 217

Pflegewohngeld ist ein bewohnerbezogener Aufwendungszuschuss. Er ist keine Objektförderung der jeweiligen Pflegeeinrichtung, sondern eine subjektbezogene Sozialleistung sui generis gegenüber dem bedürftigen Heimbewohner, der dadurch von den Kosten – bzw. von einem Teil der Kosten – entlastet wird, die ihm der Einrichtungsträger unter den Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 SGB XI in Rechnung stellen kann.[119] Pflegewohngeld ist z.T. einkommens- und vermögensabhängig. Pflegewohngeld wird nicht gezahlt, wenn durch Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens die Zahlung der Investitionskosten möglich ist oder wenn die erforderliche Leistung von Dritten oder Trägern anderer Sozialleistungen außerhalb des SGB XII vorgesehen ist. Das Pflegewohngeldrecht wendet aus den "Sozialhilfe"-Regressvorschriften des SGB XII die Vorschriften über die Darlehensgewährung und die Überleitung von Ansprüchen nach § 93 SGB XII entsprechend an.

 

Rz. 218

Im Pflegewohngeldrecht NRW spielt der Schenkungsrückforderungsanspruch (§ 528 BGB) des Bedürftigen Schenkers eine besondere Rolle.[120]

[115] Z.B. Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose NRW v. 17.2.1997 (GV NRW, 436). Zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. März 2017 (GV. NRW. S. 372).
[116] § 14 Alten- und Pflegegesetz NRW.
[117] § 6 Abs. 4 Ausführungsgesetz zum Pflege-Versicherungsgesetz (Landespflegegesetz – LPflegeG) v. 10.2.1996.
[118] § 9 Landespflegegesetz (LPflegeG M-V) v. 16.12.2003 (GVOBl M-V 2003, 675).
[120] Vgl. z.B. OVG NRW v. 9.11.2018 – Az.: 12 A 3076/15; OVG NRW v. 14.10.2008 – Az.: 16 A 1409/07.

2. Sozialrechtsähnliche Ansprüche

 

Rz. 219

Neben den landesrechtlichen Vorschriften gibt es auch sozialrechtsähnliche Ansprüche für besondere Fallgruppen von Geschädigten, wie z.B. das Conterganstiftungsgesetz.[121] Auch in diesen Gesetzen spielt der Einsatz eigenen Einkommens und eigenen Vermögens in unterschiedlicher Ausprägung eine Rolle und damit umgekehrt auch der Regress als Fall der Leistungsstörung.

 

Rz. 220

Bei der Gestaltung von Behindertentestamenten ist die Kenntnis der Regeln des Conterganstiftungsgesetzes bedeutsam, da die dortigen Sonderregeln den Nachranggrundsatz des SGB XII und des SGB IX für Contergangeschädigte weitestgehend durchbrechen. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Abs. 3, § 87 Abs. 1 und § 88 SGB XII nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Abs. 3, § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII stellt eine Härte dar. Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des SGB IX wird ein Beitrag nach § 92 SGB IX nicht erhoben.

[121] Conterganstiftungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 25.6.2009 (BGBl I, 1537), zuletzt geändert durch Gesetz v. 12.8.2020 (BGBl I, 1887).

3. Sonstige sozialstaatlich ausgerichtete Normen

a) Betreuungsrecht

 

Rz. 221

Das Betreuungsrecht nach §§ 1896 ff. BGB ist janusköpfig. Es ist Eingriffs- und Fürsorgerecht gleichzeitig. Die Kosten der Betreuung sind keine rein staatliche Leistung, sondern müssen vom leistungsfähigen Betreuten mitgetragen werden.

Dabei sind

die gerichtlichen Kosten der Betreuung und
die Betreuervergütung

voneinander zu unterscheiden. Die Beteiligung des Betreuten erfolgt nach unterschiedlichen Kriterien. Die Beteiligung ist Ausfluss des Nachrangprinzips.

 

Hinweis

Das Betreuungsrecht ändert sich zum 1.1.2023. §§ 1836c ff. BGB werden durch § 1880 BGB neu geregelt und die Mittellosigkeit des Betreuten nur noch nach dessen Vermögen geprüft.

 

Rz. 222

Da sich die Rechtsprechung mit Fragen dieser Kosten in der letzten Zeit im Zusammenhang mit Behindertentestamenten und dem erhöhten Vermögensschonbetrag des Eingliederungshilferechts immer wieder beschäftigt hat, werden Einzelaspekte in § 10 dieses Buches ausführlich vorgestellt.

b) Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

 

Rz. 223

Die staatliche Hilfe bei der Verfolgung rechtlicher Interessen in der Form der Beratungs-, Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe ist eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des geric...

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