Rz. 290

Das HUntProt bestimmt nach seinem Art. 1 Abs. 1 das auf solche Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, die sich aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe[341] oder Schwägerschaft (Begriffe, die weit auszulegen sind)[342] ergeben, einschließlich der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, ungeachtet des Familienstands seiner Eltern[343] (sachlicher Anwendungsbereich).

 

Rz. 291

Das Protokoll erfasst Unterhaltsvereinbarungen[344] nur, wenn sie sich auf die gesetzliche Unterhaltspflicht beziehen,[345] d.h. wenn eine vertraglich vereinbarte Unterhaltsverpflichtung an die Stelle eines gesetzlichen familienrechtlichen Anspruchs tritt.[346] Vorfragen im Hinblick auf familienrechtliche Verhältnisse können entweder nach Maßgabe des HUntProt oder auch weiterhin selbstständig (national) entschieden werden.[347] Die in Anwendung des HUntProt ergangenen Entscheidungen lassen gem. Art. 1 Abs. 2 HUntProt die Frage des Bestehens einer der in Abs. 1 genannten Beziehungen unberührt (keine Präjudizwirkung für spätere Statusklagen).[348]

 

Rz. 292

Das HUntProt ist nach seinem Art. 2 allseitig, d.h. auch dann anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertrags-(Dritt-)Staates ist (universelle Anwendung).

[341] Das HUntProt war im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und ist in Bezug auf Ehen (anders noch als das HUntÜ) offen mit der Folge, dass die Staaten das HUntProt auf entsprechende Ansprüche anwenden können oder auch nicht, so NK-BGB/Gruber, Haager Unterhaltsprotokoll, Art. 1 Rn 9 ff. Erfasst werden auch Unterhaltsansprüche in nichtehelichen Lebensgemeinschaften: so Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 42 f.
[342] Andrae, Art. 1 HUntProt Rn 5 ff.
[343] Unterhaltsansprüche aus ehelicher und nichtehelicher Abstammung, Adoption, auch solche des Pflegekindes: so Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 38 f.
[344] Wohingegen vertragliche Unterhaltsansprüche vom HUntProt grundsätzlich nicht erfasst werden: so Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 44.
[345] NK-BGB/Gruber, Haager Unterhaltsprotokoll, Art. 1 Rn 12.
[346] Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 45. Vor allem gilt dies für Unterhaltsansprüche in Scheidungsvereinbarungen: NK-BGB/Gruber, Haager Unterhaltsprotokoll, Art. 1 Rn 22; Kropholler, IPR, § 47.II.4.a.
[347] Zur Anknüpfung von Vorfragen: NK-BGB/Gruber, Haager Unterhaltsprotokoll, Art. 1 Rn 30 ff. Teilweise wird – so Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 48 – auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 3 HUntProt sowie wegen des staatsvertraglichen Charakters des Protokolls für Vorfragen eine unselbstständige Anknüpfung vertreten, was für Vorfragen zur Anwendung des vom IPR des Unterhaltsstatuts zur Anwendung berufenen Rechts führt (vgl. etwa OLG Frankfurt/M. FamRZ 2012, 502, 503). Teils soll es für das HUntProt zu einer selbstständigen Anknüpfung kommen – dies präferierend Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 51 ff.: "Für diese spricht der Aspekt des internationalen Entscheidungsgleichklangs bzw. das Interesse an Gleichbehandlung familienrechtlicher Beziehungen in unterschiedlichen Kontexten" Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 1 HUP Rn 48) – ebenso wie dies auch dem außerhalb von Staatsverträgen Üblichen entspricht.
[348] NK-BGB/Gruber, Haager Unterhaltsprotokoll, Art. 1 Rn 28.

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