Rz. 303

Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg. Sie führte gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hatte den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

 

Rz. 304

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe das Andauern von unfallbedingten Beschwerden nach dem 15.10.2010 nicht ausreichend dargelegt, verletzte den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.

 

Rz. 305

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Partei in der nach Art. 103 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (BGH, Urt. v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn 14 m.w.N.).

 

Rz. 306

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (BVerfG WM 2012, 492 Rn 16; BGH, Beschl. v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, WM 2007, 1569 Rn 8; BGH, Urt. v. 29.2.2012 – VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn 16, jeweils m.w.N.).

 

Rz. 307

Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht beanstandete, hatte das Berufungsgericht hiergegen verstoßen, indem es sich über den Vortrag des Klägers mit der Bewertung hinweggesetzt hat, der Kläger habe das Andauern von unfallbedingten Beschwerden nach dem 15.10.2010 nicht ausreichend dargelegt.

 

Rz. 308

Der Kläger hatte in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung unter Beweisantritt vorgetragen, die Hörminderung und der Tinnitus links hielten unverändert an. Nachdem das Berufungsgericht ihn darauf hingewiesen hatte, dass er fortbestehende gesundheitliche Beschwerden nach dem 15.10.2010 nicht ausreichend dargelegt habe, hatte er mit Schriftsatz vom 9.6.2015, zudem unter Vorlage eines für die Beklagte unter Angabe ihrer Schadensnummer zum streitgegenständlichen Unfall angefertigten Berichts seines Hausarztes Dr. K. S. vom 26.4.2011, den die Beklagte – anders als die Berichte von Dr. P. vom 13.4.2011 und Dr. B. vom 16.5.2011 – mit der Klageerwiderung nicht vorgelegt hatte, geltend gemacht, auch dieser belege, dass die unfallbedingten Beeinträchtigungen über den 15.10.2010 hinaus fortbestanden hätten. Der Bericht hat folgenden Wortlaut:

Zitat

"Es wurde eine Hörminderung links festgestellt. Der Patient klagte über erhebliches Ohrgeräusch. (…) Behandlungstermine laufend seit Unfalltag. (…) Die Behandlung ist noch nicht beendet. (…) Der Patient ist noch nicht wiederhergestellt. (…) Der Heilverlauf ist verzögert, da der Patient durch die Affektion des Gehöres noch erhebliche Probleme hat. (…) Ja, es ist möglich, dass ein dauerhaftes Ohrgeräusch (Tinnitus) zurückbleibt mit entsprechenden Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen (…)."

 

Rz. 309

Ferner hatte der Kläger sich auf weitere Bescheinigungen des behandelnden Facharztes Dr. P. vom 29.5.2015 sowie des Hausarztes Dr. K. S. vom 8.6.2015 bezogen. Die Bescheinigung vom 29.5.2015 hatte folgenden Wortlaut:

Zitat

"Bei Herrn B. (Kläger) persistiert nach einem Verkehrsunfall vom 15.9.2010 mit Contusionstrauma ein hochfrequentes Ohrgeräusch mit Pfeifen und Druckgefühl. Die in den Vorbefunden vom 16.9.2010, 18.1.2011, 28.7.2014 und dem 5.6.2015 ausgeführten Messungen bestätigen einen unveränderten Befund. Der Tinnitus konnte zuletzt am 5.6.2015 bei 12 KHz und 60 dB eingegrenzt werden. Bei fehlenden kausalen Therapiemöglichkeiten dieser Beschwerden wurde Herr B. (Kläger) dann in die Weiterbehandlung des H-Arztes der Berufsgenossenschaft, Dr. K. S. entlassen. Ich klärte über die Durchführung eines eigenständigen Tinnitus-Retrainings auf. Im weiteren Verlauf stellte sich der Patient intermediär bei zunehmenden Beschwerden vor. Über eine mögliche Erwerbsminderung konnte bisher keine Aussage getroffen werden."

 

Rz. 310

Das Berufungsgericht hatte zur Begründung seines Beschlusses ausgeführt, hinreichende Anhaltspunkte für über den 15.10.2010 hinaus andauernde gesundheitliche Beschwerden des Klägers ergäben sich weder aus der ärztlichen Bescheinigung des Dr. P. vom 13.4.2011 noch aus den Bescheinigungen vom 29.5.2015 und 8.6.2015. Deren Inhalt erschöpfe sich in der Wiedergabe der Schilderung der subjekti...

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