Rz. 102

In den von Architekten erstellten Bauantragsplänen für Neubauten sind regelmäßig Nutzungsangaben enthalten ("Laden", "Restaurant", "Wohnung", "Abstellraum" usw.). Bei der Aufteilung von Altbauten werden gerne die seinerzeitigen Bauantragspläne verwandt, die den heutigen soziokulturellen und technischen Randbedingungen nicht mehr entsprechen ("Kohlelager", "Kartoffelkeller", "Kutscherhaus", "Speicher" etc.). Teils werden solche Beschreibungen dann auch noch in den Text der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung übernommen ("Teileigentum, Laden"). Solche Bezeichnungen haben die Gerichte in Hunderten von Entscheidungen beschäftigt. Mit der Zweckbestimmung "Laden" und den daraus möglicherweise folgenden Einschränkungen für die Nutzbarkeit der betroffenen Teileigentumseinheiten hat sich der BGH allein im Jahr 2019 in drei Entscheidungen befassen müssen.[176] Auch heute noch gibt es keinen größeren WEG-Kommentar ohne eine diesbezügliche umfängliche ABC-Liste.[177] Der Bundesgerichtshof hat erst ab Beginn des Jahres 2010 in einer Reihe von Entscheidungen für eine gewisse Justizentlastung der Instanzgerichte gesorgt. Eintragungen des planenden Architekten in den Genehmigungsplänen kommt i.d.R. nicht dadurch die Bedeutung einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter zu, dass diese Pläne für den Aufteilungsplan genutzt werden.[178] Die Bezeichnung "Laden" sei im Zweifel als deklaratorische Wiedergabe der Erstnutzung zu verstehen und decke auch den anschließenden Betrieb einer "Speisegaststätte".[179] Man kann aus diesen Entscheidungen einen gewissen Paradigmenwechsel ableiteten, aber verlassen sollte man sich darauf besser nicht.

 

Praxistipp

Vorsicht, Vorsicht und nochmals Vorsicht bei konkreten Nutzungsangaben.

Zweckbestimmungen hinsichtlich der gewerblichen Nutzung sollten unter Abwägung der Bestandsinteressen der Erwerber und der nötigen Offenheit für künftige Veränderungen sorgfältig formuliert werden. Insbesondere Art und Lage der jeweiligen Wohnungseigentumsanlage sind hierbei maßgebliche Kriterien.[180] Immer ist im Blick zu haben, dass sog. Versteinerungen möglichst vermieden werden.

[176] Obdachlosenunterbringung in "Laden": BGH, Urt. v. 8.3.2019 – V ZR 330/17 – juris; Eltern-Kind-Zentrum in "Laden mit Lager": BGH, Urt. v. 13.12.2019 – V ZR 203/18 – juris; Eisdiele in "Laden": BGH, Urt. v. 25.10.2019 – V ZR 271/18 – juris. Hierzu s. auch v. Türckheim, notar 4/2020, 99 ff.
[177] Vgl. z.B. Bärmann/Suilmann, § 13 WEG Rn 20 ff.
[178] BGH vom 15.1.2010 – V ZR 40/09 – juris; dazu Langhein, notar 2010, 197.
[179] BGH ZWE 2011, 78; vgl. aber auch BGH NJW 2016, 53 (Laden als Gaststätte) und Naumann, notar 2016, 117, 120.
[180] Vgl. Brückner, ZNotP 2015, 328, 333, wonach etwa zwischen hochpreisigem Wohnungseigentum in exklusiven Lagen auf der einen Seite und Innenstadtlagen oder strukturschwachen Gebieten auf der anderen Seite differenziert werden sollte; siehe auch Naumann, notar 2016, 117, 121.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge