Rz. 1

Die Forderungseinziehung als Rechts- oder auch Inkassodienstleistung gehört zum Alltagsgeschäft des Rechtsanwaltes. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass auch die Gebühren und Auslagen, in Summe die anwaltliche Vergütung, mit Leichtigkeit zu berechnen sind. Das streitet wider den Anspruch des Gesetzgebers, das Vergütungsrecht trotz der Komplexität der anwaltlichen Tätigkeit einfach und transparent zu gestalten. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz stellt eine komplexe Konstruktion dar, die zudem ständig im Fluss ist. Rechtsprechung und Gesetzgeber scheinen nie zu ruhen und immer wieder zeigen sich neue Fragestellungen. Nur wer sich mit dem Vergütungsrecht beschäftigt, kann seine Gebühren und Auslagen im gesetzlich zulässigen Maß geltend machen und in diesem Sinne optimieren.

 

Rz. 2

Das anwaltliche Vergütungsrecht ist schon seit 1879 als Taxe im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB geregelt. Am Anfang der Entwicklung stand die Rechtsanwaltsgebührenordnung, RAGebO. Bis zum 30.6.2004 galt die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, die BRAGO.[1] Auch wenn ihre Bedeutung nachhaltig reduziert ist, müssen deren Bestimmungen zumindest in der sogenannten Langzeitüberwachung noch herangezogen werden, d.h. in Fällen, in denen nach Titulierung und zeitnaher Zwangsvollstreckung kein Forderungsausgleich erreicht werden konnte.[2] Auch für solche Forderungen muss von Zeit zu Zeit die Einziehung durch eine aktualisierte Informationsbeschaffung, außergerichtliche Mahnungen und weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen versucht werden. Die vor dem 30.6.2004 entstandenen Gebühren sind dann nach der BRAGO geltend zu machen.

 

Rz. 3

 

Hinweis

Wird eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung eingeleitet, kann es sich empfehlen, die Vergütung nach der BRAGO gem. § 788 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO festsetzen zu lassen. Das vermeidet Bearbeitungsverzögerungen, weil auch die Vollstreckungsorgane sich erst noch mit dem alten Recht beschäftigen müssen. Das vermindert zugleich die Gefahr, dass die Realisierung alter Auslagen und Aufwendungen nicht mehr möglich wird, weil die Belege auf dem Postwege oder auf andere Art verloren gehen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss kann dann nach § 733 ZPO immer wieder beschafft werden.

 

Rz. 4

Zum 1.7.2004 ist das bis heute gültige, wenn auch schon vielfach geänderte Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Kraft getreten.[3] Damit wurden nicht nur die Gebühren und Auslagen der Höhe nach angepasst, sondern vor allem auch die Struktur zur Bestimmung der anwaltlichen Vergütung nachhaltig verändert. Das Gebührenrecht steuert immer auch das taktische und prozessuale Vorgehen, sei es in dem Gedanken, die Vergütung möglichst gering zu halten, auskömmlich zu gestalten oder zu optimieren. Hier wollte der Gesetzgeber lenkend eingreifen.

 

Rz. 5

 

Hinweis

So wurde mit der Einführung des RVG die Beweisgebühr abgeschafft, weil sich in der Praxis gezeigt hat, dass Vergleiche häufig erst geschlossen wurden, nachdem die Beweisgebühr angefallen ist. Durch den Wegfall der Beweisgebühr,[4] die Stärkung der allgemeinen Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr werden Vergleiche früher geschlossen, was dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit ebenso dient wie der Entlastung der Gerichte.

[1] Die BRAGO wurde am 26.7.1957 als Art. VIII des Gesetzes zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften verkündet (BGBl I 1957, 861, 907) und bildete bis zum Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes das Zentrum des anwaltlichen Vergütungsrechtes.
[2] Siehe hierzu die älteren Auflagen der gebührenrechtlichen Kommentare, etwa Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Auflage, oder Enders, BRAGO für Anfänger, 11. Auflage, jeweils auch mit Darstellung des maßgeblichen Übergangsrechtes.
[3] 1. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5.5.2004, BGBl I 2004, 718, 788.
[4] Die für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen mit mindestens drei gerichtlichen Terminen, in denen Zeugen und/oder Sachverständige vernommen oder angehört wurden, als Zusatzgebühr in Nr. 1010 VV RVG wieder eingeführt wurde.

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