Rz. 391

Eine Zusammenarbeit von Rechtsanwälten in einer Sozietät stellt die klassische Form der gemeinschaftlichen Berufsausübung dar.[865] Entsprechend häufig stellen sich Fragen der Haftung bzw. der Voraussetzungen, unter denen die Mitglieder persönlich für Schadensersatzansprüche des Auftraggebers haften, und zwar auch dann, wenn sie sich selbst nicht schuldhaft pflichtwidrig verhalten haben, i.d.R. nicht einmal an der Übernahme oder Bearbeitung des schadensträchtigen Mandats beteiligt waren. Die Haftungsprinzipien haben sich durch die Rechtsprechung des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR[866] und zur Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf die Freiberufler-Sozietät[867] fundamental geändert. Der für die Rechtsanwaltshaftung zuständige IX. Zivilsenat hat sich den Grundlagen dieser Rechtsprechung angeschlossen.[868]

[865] Zur Verwendung des Begriffs "Sozietät" vgl. BGH, 12.7.2012 – AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 = NJW 2012, 3102; zur Anwaltssozietät allgemein Bormann, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 59a BRAO Rn 29.
[866] BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = WM 2001, 408.
[867] BGHZ 154, 370 = NJW 2003, 1803.

1. Grundlagen

 

Rz. 392

§ 52 Abs. 2 BRAO enthält spezielle gesetzliche Regelungen für Rechtsanwaltssozietäten, § 59a BRAO nunmehr auch für alle Berufsausübungsgemeinschaften.[869] Eine Sozietät ist ein Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die nicht nur ein gemeinsames Büro unterhalten, sondern den Beruf im Interesse und auf Rechnung aller Sozien unter Benutzung ihrer gemeinsamen Einrichtungen gemeinschaftlich, als eine Einheit, ausüben.[870] Sie ist die traditionelle Rechtsform, in der Rechtsanwälte beruflich zusammenarbeiten,[871] wobei diese Tradition auch daran hindern kann, eine geeignetere Form für die gemeinschaftliche Berufsausübung zu wählen.[872] Der Begriff der Sozietät hat einen gesellschaftsrechtlichen und einen berufsrechtlichen Inhalt. Beide Aspekte müssen auseinandergehalten werden. Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung einer Rechtsanwaltssozietät und deren Auftreten nach außen ergeben sich aus dem Lauterkeitsrechtsrecht.

[869] Zur abschließenden Fassung des § 59a BRAO vgl. BGH, 29.1.2018 – AnwZ (Brfg) 32/17, NJW 2018, 1095 (Zulässigkeit des Verbots der Sozietät von Rechtsanwälten mit Mediatoren und Berufsbetreuern). Siehe auch BGH, 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = NJW 2016, 2263, wonach § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO (i.V.m. § 1 Abs. 3 PartGG) zwar eine abschließende Aufzählung derjenigen Berufe enthält, mit deren Angehörigen sich ein Rechtsanwalt in einer Partnerschaftsgesellschaft zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden darf, der abschließende Inhalt des § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO aber insoweit nichtig ist, als die Regelung einer Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten sowie mit Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft entgegensteht (BVerfG, NJW 2016, 700, Rn 44 bis 93). Zur Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit, soweit Regelungen zugunsten einer der beteiligten Berufsgruppen deren Anteils- und Stimmrechtsmehrheit bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts- und Patentanwälten (hier: § 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO und § 52e Abs. 2 Satz 1 PAO) sowie deren Leitungsmacht (hier: § 59f Abs. 1 Satz 1 BRAO und § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO) und Geschäftsführermehrheit (hier: § 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO) vorschreiben und bei einer Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaft ausschließen, vgl. BVerfG, NJW 2014, 613.
[870] BGHZ 56, 355 = NJW 1971, 1801, 1802.
[871] Allgemein zur Sozietät: Ahlers, AnwBl. 1992, 54 f.; Boele, Die Organisation von Rechtsanwaltssozietäten Heute und Morgen; Bormann, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 59a BRAO Rn 29; Brüggemann , in: Feuerich/Weyland, BRAO, § 59a Rn 1 ff.; Hartung, AnwBl. 1995, 333 ff.; ders., in: Henssler/Prütting, BRAO, § 59a Rn 20 bis 98; Hartstang, S. 30 bis 74, 590 bis 595; Kaiser/Bellstedt, Die Anwaltssozietät, Rn 1 bis 194; Kleine-Cosack, BRAO, vor § 59a Rn 16 bis 35, § 59a Rn 3 bis 7; Jungk, AnwBl. 1996, 297 ff.; K. Müller, NJW 1969, 903 ff. und 1416 f.; Oppenhoff, AnwBl. 1967, 267 ff.; Rabe, NJW 1971, 1385 ff.; Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, S. 30 bis 97; MüKo-BGB/Schäfer, vor § 705 Rn 39 ff.; Schmid, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 24; Sieg, Internationale Anwaltshaftung, S. 43 ff. und 146 ff.; Steindorff, in: FS R. Fischer, S. 747 ff.; Vogels, Die Haftung von Rechtsanwälten in der Sozietät; Wolf, in: FS Schneider, S. 349 ff.
[872] Kilian, AnwBl. 2015, 45.

a) Gesellschaftsrecht

 

Rz. 393

Gesellschaftsrechtlich ist eine Sozietät der Zusammenschluss von Rechtsanwälten zur gemei...

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