Rz. 22

Dieser Punkt bereitet bei der Begriffsbestimmung des Ehevertrages zumindest nach Meinung verschiedener Literaturstimmen erhebliche definitorische Probleme. Sie ergeben sich aus der Zusammenschau von § 1408 BGB einerseits und dem juristischen Sprachgebrauch sowie der Beurkundungs- und Rechtsprechungspraxis andererseits.

 

Rz. 23

 

Beispiel

§ 1408 Abs. 1 BGB bezeichnet Verträge über die güterrechtlichen Verhältnisse als "Ehevertrag".

Gleichzeitig ist man sich allgemein darin einig, dass auch die vertragliche Gestaltung anderer Familienrechtsverhältnisse Ehevertrag sein kann.

M und F vereinbaren: M verpflichtet sich, F ab der Eheschließung bis zu einer etwaigen Trennung ein Haushaltsgeld in Höhe von mindestens 1.000 EUR jeweils am Monatsersten zu zahlen. Schuldet M nach § 1360 BGB im Rahmen des Familienunterhalts ein höheres Haushaltsgeld, ist dieser Betrag zu zahlen.

Enthielte § 1408 Abs. 1 BGB eine Legaldefinition, könnte es sich nicht um einen Ehevertrag handeln, denn der Familienunterhalt nach § 1360 BGB gehört nicht zu den "güterrechtlichen Verhältnissen". Enthielte § 1408 Abs. 1 BGB hingegen keine Legaldefinition, wäre die Vereinbarung jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt Ehevertrag.

 

Rz. 24

Die Definitionsfrage ist insofern von zumindest theoretischer Bedeutung. Allerdings ist bei den diesbezüglichen Betrachtungen immer im Blick zu behalten, ob daraus auch eine praktische Relevanz folgt.

Im Einzelnen:

1. § 1408 BGB als Legaldefinition?

 

Rz. 25

§ 1408 Abs. 1 BGB bestimmt:

Zitat

"Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag) regeln, insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern"

 

Rz. 26

Die Vorschrift bestimmt also in Absatz 1, dass Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag regeln können und bezeichnet eine derartige Vereinbarung ausdrücklich als "Ehevertrag".

 

Rz. 27

Nicht jeder Vertrag zwischen Ehegatten ist aber ein Ehevertrag i.S.v. §§ 1408 Abs. 1, 1410 BGB.

 

Rz. 28

 

Beispiel

Ein Vermögensverwaltungsvertrag unter Ehegatten (vgl. § 1413 BGB) kann formlos, auch schlüssig, zustande kommen.[13]

[13] Vgl. Langenfeld/Milzer, Rn 6 und 7; Erman/Heinemann, § 1413 Rn 2; MüKo/Kanzleiter, § 1413 Rn 3.

2. Literaturmeinungen

 

Rz. 29

§ 1408 Abs. 1 BGB wird in der Literatur teilweise ausdrücklich als Legaldefinition angesehen.[14] Nach J. Heinemann ist ein Ehevertrag ein Vertrag, durch den die Ehegatten ihre künftigen oder bestehenden güterrechtlichen Verhältnisse abweichend von den im Gesetz zur Verfügung gestellten Typen ordnen; Abreden über die allgemeinen Ehewirkungen stellten keinen Ehevertrag im eigentlichen Sinne dar, auch wenn sie so bezeichnet würden und im Einzelfall der notariellen Beurkundung bedürfen können.[15] Auch nach Thiele[16] ist der Ehevertrag ein Vertrag zwischen Ehegatten zur Regelung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse. Ähnlich, aber noch großzügiger formuliert J. Mayer[17] mit dem Zusatz, dass der Ehevertrag auch Einzelregelungen für den Fall der Scheidung mit umfassen könne (was letztlich heißt, dass kein Ehevertrag vorliegt, wenn er nicht zumindest auch die güterrechtlichen Verhältnisse regelt).

 

Rz. 30

Milzer leitet aus § 1408 Abs. 1 BGB den gesetzlichen Ehevertragsbegriff ab, was auch herrschender Meinung entspreche.[18] Dieses Verständnis bereitet allerdings begriffliche und dogmatische Probleme, die insofern nicht zu unterschätzen sind, als das Ehevertragsrecht durch seine verstreuten und auch unterschiedlichen Normen bereits kompliziert genug ist und auch unüberwindbare Verständnisprobleme auftauchen, wenn man allein § 1408 Abs. 1 BGB als den einzig rechtlich existierenden Ehevertrag betrachtet und dann Erklärungen finden muss, weshalb der Begriff in Gesetz und Rechtspraxis zusatzlos und durchgängig auch anderweitig verwendet wird.

Im Folgenden soll zunächst auf diese begrifflichen Verwerfungen eingegangen, dann eine eigene Gesetzesauslegung versucht und sodann abschließend Stellung genommen werden.

[14] Juris-PK/Hausch, § 1408 Rn 15; Soergel/Gaul/Althammer, § 1408 BGB Rn 2; vgl. auch Langenfeld/Milzer, Rn 6.
[15] Erman/Heinemann, § 1408 Rn 2.
[16] Staudinger/Wolfgang Thiele/BurghardThiele, § 1408 Rn 3.
[17] Bamberger/Roth/JH. Mayer, § 1408 Rn 2.
[18] Langenfeld/Milzer, Rn 6 und 7.

3. Weitere gesetzliche Begrifflichkeiten und die Verwendung des Begriffes "Ehevertrag" in der Rechtspraxis

 

Rz. 31

Bereits der Absatz 2 des § 1410 BGB regelt, dass auch eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich ein Ehevertrag ist und zeigt damit auf, dass der Begriff "Ehevertrag" ein übergeordneter Sammelbegriff ist und die Absätze 1 und 2 des § 1408 BGB nur Unterfälle enthalten. Dem entgegnet man mit dem Argument, es handele sich lediglich um eine Verweisungsvorschrift auf die ehegüterrechtlichen Vorschriften der §§ 1410, 1411 BGB.[19]

 

Rz. 32

Dem Umstand, dass die Rechtspraxis auch andere als güterrechtliche Verträge als Eheverträge bezeichnet, begegnet man ferner mit folgender Argumentation. Der gesetzliche Ehevertragsbegriff (des § 1408 Abs. 1 BGB) kennzeichne diese Ehevertragspraxis nicht. Bei dieser handele es sich vielmehr um eine funktionale Erweiterung.[20]

 

Rz. 33

Teilweise wird auch von einem ge...

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