I. Die allgemeine Verfassungsrechtsgrundlage des Art. 2 Abs. 1 GG

 

Rz. 89

Art. 2 Abs. 1 GG gewährt die positive und negative Vertragsfreiheit als Unterfall der Privatautonomie (= allgemeine Handlungsfreiheit) und damit die freie Entscheidung darüber, einen Vertrag abzuschließen oder es sein zu lassen sowie die freie Bestimmung über deren Inhalt (Abschluss- und Gestaltungsfreiheit[42]). Schranken sind die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie ggf. Eingriffsgesetze (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG).

 

Rz. 90

Dies gilt auch für Ehegatten, wenn diese sich wie Dritte gegenüber stehen. Solches kommt tagtäglich in Gestalt von Schenkungs-, (Ehegatten)arbeits-, (Ehegatten)darlehens-, Kauf- u.a. -verträgen vor. Derartige Verträge unterliegen zunächst (lediglich) den für sie geltenden, insbesondere den Formvorschriften. So bedarf ein Schenkungsversprechen unter Ehegatten der notariellen Form wie unter Nichtehegatten auch (§ 518 Abs. 1 BGB), nicht hingegen ein Vermögensverwaltungsvertrag,[43] die Gründung einer BGB-Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) und auch nicht ein Arbeitsvertrag.

 

Rz. 91

Ungeachtet der Folgen der Verknüpfung nicht formbedürftiger mit formbedürftigen familienrechtlichen Verträgen kann es sein, dass der Abschluss eines Ehegattenarbeitsvertrages (hier folgt die Vertragsfreiheit aus Art. 12 GG als lex specialis zu Art. 2 GG[44]) für den Fall, dass der Ehegatte Arbeitsleistungen erbringt, in sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Hinsicht anzuraten ist. Hier ist, wenngleich nicht vorgeschrieben, Schriftform empfehlenswert, die zum Nachweis geeignet ist, dass das Arbeitsverhältnis einem Dritt- bzw. Fremdvergleich standhält, wie es zur sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Anerkennung erforderlich ist, also insbesondere Arbeitszeit und -entgelt regelt. Auch sollte das Gehalt auf ein eigenes Konto des Arbeitnehmerehegatten überwiesen werden. Ein solcher Vertrag kann auch bei der Geltendmachung oder Abwehr nebengüterrechtlicher Ansprüche hilfreich sein, wenn es darum geht, ob die erbrachte Arbeitsleistung über die arbeitsvertraglich geschuldete hinausging.[45]

 

Rz. 92

Vor Scheinarbeitsverträgen ist der Mandant zu warnen. Eine anwaltliche Mitwirkung hieran verbietet sich. Da die Betriebskosten die Steuern verkürzen und weil unverdiente Rentenrechte erworben werden können, kommt eine Straftat in Betracht.

[42] BVerfGE 8, 274, 328; 88 384, 403; 89, 48, 61; 95, 267, 303 f.; Maunz-Dürig/di Fabio, Art. 2 GG Rn 101.
[43] Vgl. Erman/J. Heinemann, § 1413 Rn 2; MüKo/Kanzleiter, § 1413 Rn 3.
[44] Maunz-Dürig/di Fabio, Art. 2 Rn 103.

II. Die besondere Verfassungsrechtsgrundlage des Familienrechts: Art. 6 GG

 

Rz. 93

Schließen Ehegatten als Ehegatten – und nicht wie beliebige Dritte – einen Vertrag, gelten Besonderheiten. Verfassungsrechtlich folgt die Vertragsfreiheit hier aus Art. 6 GG als lex specialis zu Art. 2 GG.[46]

[46] Maunz-Dürig/di Fabio, Art. 2 Rn 103.

III. Die einfachrechtlichen Grundlagen des BGB

 

Rz. 94

Zivilrechtlich eröffnen einzelne Gesetzesvorschriften ausdrücklich und – in Anbetracht der besonderen Vertragsfreiheit des Art. 6 GG deklaratorisch – einen Regelungsspielraum

1. Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit: § 1356 Abs. 1 BGB

 

Rz. 95

Ehemodell, Rollenverteilung und Haushaltsführung werden vom Gesetz nicht vorgegeben (kein gesetzliches Eheleitbild), sondern werden von den Ehegatten einvernehmlich geregelt.

2. Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse, § 1408 BGB

 

Rz. 96

Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist subsidiär![47]

Er gilt, wenn die Ehegatten nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren (§ 1363 BGB).

Im BGB der Fassung vom 1.1.1900 war die Gütertrennung der subsidiäre Güterstand (§§ 1426–1431, 1436 BGB a.F.)

 

Rz. 97

Den (güterrechtlichen) Ehevertrag definiert § 1408 Abs. 1 BGB. Die Ehegatten können ganz allgemein ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag regeln, insbesondere den Güterstand aufheben oder ändern. Ausweislich der amtlichen Überschrift handelt es sich um einen Fall der Vertragsfreiheit.

[47] BGH FamRZ 1997, 800.

3. Zugewinnausgleich, § 1378 Abs. 3 BGB

 

Rz. 98

Besteht der gesetzliche Güterstand, haben die Ehegatten also nicht durch wirksamen Ehevertrag etwas anderes vereinbart, können sie über die Zugewinnausgleichsforderung im Nachhinein Vereinbarungen treffen, etwa einzelne Vermögensgegenstände aus dem Ausgleich herausnehmen.

4. Nachehelicher Unterhalt, § 1585c BGB

 

Rz. 99

Ehegatten können über den nachehelichen Unterhalt Vereinbarungen schließen.

5. Versorgungsausgleich, §§ 1408 Abs. 2 BGB, 6–8 VersAusglG

 

Rz. 100

Auch der Versorgungsausgleich unterliegt der Vertragsfreiheit der Ehegatten (amtliche Überschrift!). Erfolgt die Vereinbarung vor dem Scheidungsverfahren, unterliegt sie der allgemeinen Inhalts- und Ausübungskontrolle über §§ 138, 242 BGB, im Scheidungsverfahren im Besonderen nach §§ 8 VersAusglG.

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