Unfall nach betrieblicher Einladung - nicht immer ein Wegeunfall

Ein Monteur besuchte auf Einladung einer Brauerei, einem externen Auftraggeber seines Unternehmens, eine Veranstaltung auf dem Oktoberfest. Auf dem Heimweg kollidierte der Alkoholisierte mit einem Strommast. Stand sein Wiesn-Besuch im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und war auch der schwankende Heimweg deshalb als Arbeitsunfall geschützt?

Es war ein normaler Wiesn-Tag in München mit einem mehr oder weniger gängigen Kollateralschaden. Ein Monteur aus Berlin, der von seiner Firma bei einer Brauerei in München eingesetzt war, besuchte auf Einladung dieser Brauerei deren Festzelt zu einem Wiesn-Nachmittag. Eingeladen waren sowohl die Mitarbeiter der Brauerei als auch die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter anderer Unternehmen, darunter der Monteur und sieben seiner Kollegen.

Berufsgenossenschaft verweigert Anerkennung als Arbeitsunfall

Der Mann verließ die Veranstaltung abends in alkoholisiertem Zustand. Auf dem Heimweg prallte er gegen 22 Uhr gegen einen Strommasten und brach sich einen Halswirbel. Ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung? Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall jedenfalls lehnte den Antrag des Monteurs auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.

Oktoberfest-Besuch: Zusammenhang mit betrieblicher Tätigkeit?

Dagegen erhob der Mann Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Aus seiner Sicht stand der Besuch des Oktoberfestes in engem Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit und zwar aus folgenden Gründen:

  • Der Brauerei-Nachmittag sei ein wichtiges branchenspezifisches Ereignis.
  • Der Besuch der Brauerei habe der Beziehungspflege zwischen seiner Firma und der Brauerei als einer der wichtigsten Kundinnen gedient.
  • Die Veranstaltung habe zudem die innerbetriebliche Verbundenheit unter den Kollegen der Firma gefördert.
  • Die Teilnahme an der Veranstaltung sei von seinem Arbeitgeber gebilligt worden und teilweise noch während der vergüteten Arbeitszeit erfolgt.

Wann ist ein Wegeunfall ein Arbeitsunfall?

Das Sozialgericht Berlin sah das anders, bestätigte die Auffassung der Berufsgenossenschaft und wies die Klage des Monteurs ab. Die Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall setze voraus, dass sich der Unfall auf dem Weg zu oder von einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Grundsätzlich könne zwar auch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung wie ein Betriebsausflug einer versicherten Tätigkeit zugeordnet werden.

Wann besteht für eine betriebliche Veranstaltung Versicherungsschutz?

Die Einordnung einer betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung als versicherte Tätigkeit ist an enge Voraussetzungen geknüpft:

  1. Die Veranstaltung müsse vom Arbeitgeber selbst bzw. von einem Dritten in dessen Auftrag durchgeführt werden.
  2. Es müsse die Teilnahme aller Angehörigen des Betriebs oder zumindest einer Abteilung erwünscht sein, um so die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern.
  3. Die Themen Freizeit, Unterhaltung oder Erholung dürften nicht im Vordergrund stehen, damit ein betrieblicher Zusammenhang bestehe.

Diese Kriterien erfülle der Brauereinachmittag nicht, so das Gericht.

Warum der Besuch des Brauereinachmittags keine versicherte Tätigkeit war

Im Umkehrschluss zu den angeführte Voraussetzungen für den Versicherungsschutz für eine eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung führte des Gericht aus: 

  • Die Veranstaltung sei nicht durch die Firma des klagenden Monteurs, sondern von der Brauerei, also einem Kunden seines Arbeitsgebers, durchgeführt worden.
  • Die Teilnehmer des Wiesn-Nachmittages seien ganz überwiegend keine Angehörigen des Betriebs des Klägers gewesen, was für seine Person dem Gemeinschaftscharakter einer Betriebsveranstaltung widerspreche.
  • Die Anwesenheit des Klägers auf der Veranstaltung sei von seinem Arbeitgeber zwar gebilligt worden, eine Teilnahme sei ihm jedoch freigestellt
  • und ein Vertreter der Geschäftsleitung nicht anwesend gewesen.

Bei dem Treffen habe es sich eher um ein Incentive bzw. eine Motivationsveranstaltung gehandelt. Dass es der allgemeinen Bildung eines Netzwerkes und der Kommunikation gedient habe, sei nicht ausreichend.

Fazit des Gerichts: Es bestand kein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Klägers und seiner Teilnahme an dem Brauereinachmittag. Der Mann hat keinen Anspruch gegen die Berufsgenossenschaft.

(SG Berlin, Urteil v. 01.10.2018, S 115 U 309/17).


Norm:

SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung

§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB VII

  1. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2,3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
  2. Nr. 1: Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Hintergrund:

Wer steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?

In vielen anderen Fällen, manchmal wenig bekannt, besteht ebenfalls ein Schutz:

  • Etwa, wenn jemand sich nicht für den Arbeitgeber, sondern für die Allgemeinheit oder jemanden in einer Notlage anstrengt oder gefährdet, z. B. in einem Notfall oder im Ehrenamt,
  • dabei aber persönlich zu Schaden kommt.

Geschützt sind ohne Rücksicht auf Alter, Staatsangehörigkeit oder Einkommen folgende Personengruppen:

Bei der Arbeit:

Versichert sind zunächst die Berufstätigen im Rahmen ihrer Arbeit: Arbeitnehmer und Auszubildende, erfasst wird dabei auch der Hin- und Rückweg.Das betrifft auch Personen, die selbständig, als mitarbeitende Familienangehörige oder als abhängig Beschäftigte in der Landwirtschaft arbeiten.

  • Auch Unternehmer können sich freiwillig versichern, wenn sie nicht schon - wie in einigen Branchen - durch Gesetz oder Satzung pflichtversichert sind.

Im Interesse der Allgemeinheit aktiv:

Wer im Interesse der Allgemeinheit tätig wird, steht ebenfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung:

  • z.B. Mitarbeiter in Hilfsorganisationen,
  • Lebensretter,
  • Blutspender,
  • Zeugen und Schöffen,
  • ehrenamtlich tätige Personen und Unglückshelfer.

Kita, Kindergarten, Schule und Uni:

Geschützt sind auch

Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder durch geeignete Tagespflegepersonen betreut werden,

Schüler und Studierende in Schulen und Hochschulen

sowie Personen in der beruflichen Aus- und Fortbildung.

Außerdem sind geschützt:

  • Pflegepersonen
  • Arbeitslose, wenn sie auf Aufforderung der Arbeitsagentur die Agentur oder eine andere Stelle aufsuchen
  • Personen in der Rehabilitation (z.B. Krankenhausaufenthalt).

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