Telearbeitsplätze: Zur Kündbarkeit eines Telearbeitsplatzes

Eine Vereinbarung in den allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, wonach ein Mitarbeiter einen Teil seiner Tätigkeit von einem häuslichen Telearbeitsplatz aus erledigen darf, ist nur unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers kündbar.

Seit Januar 1983 war der Kläger bei der beklagten, einer überregional tätigen Bank in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Die Bank stellte mittelständischen Unternehmen Beratungsdienstleistungen, Risikomanagement und Kredite zur Verfügung. Ein Betriebsrat war gebildet. Im Arbeitsvertrag hatte die Bank sich eine Um- und Versetzung des Mitarbeiters an andere Stellen innerhalb der Bank entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten vorbehalten. Im Jahre 2005 schlossen die Parteien eine seitens der Bank vorformulierte und von ihr in solchen Fällen üblicherweise verwendete Ergänzungsvereinbarung, wonach der Mitarbeiter mindestens 40 % seiner Tätigkeit in häuslicher Telearbeit vorzunehmen hatte. Die Vereinbarung sah vor: „Die außerbetriebliche Arbeitsstätte kann sowohl von der Bank als auch von Ihnen mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen zum Wochenschluss ohne Angabe von Gründen aufgegeben werden“.

Die Bank beendete die Telearbeit einseitig

Nach erfolgten Umstrukturierungsmaßnahmen legte die Bank dem Kläger im Jahre 2013 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nahe. Als dieser hierauf nicht einging, kündigte die Bank die Telearbeit zum 20.12.2013 ohne nähere Begründung. Der Betriebsrat wurde nicht gehört. Hiergegen ging der Arbeitnehmer gerichtlich vor und bekamen in 2 Instanzen recht.

Unangemessene Benachteiligung durch willkürliche Kündigungsmöglichkeit

Nach Ansicht von ArbG und LAG war die vereinbarte Beendigungsmöglichkeit der alternierenden Telearbeit rechtlich unwirksam. Die seitens der Bank verwendete Kündigungsbestimmung sei an dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen zumessen. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sei eine in den allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Vorschrift dann unwirksam, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine unangemessene Benachteiligung in diesem Sinne sei im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sei oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben so eingeschränkt würden, dass die Erreichbarkeit des Vertragszweckes gefährdet ist (BAG, Urteil v. 19. 2. 2014, 5 AZR 920/12).

Das Direktionsrecht beinhaltet eine Interessenabwägung

In der hier vereinbarten, voraussetzungslosen und grundlosen Rückkehrmöglichkeit in ein Nichttelearbeitsverhältnis sah das Gericht eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Mit der Vereinbarung einer Telearbeit werde – so die Richter - der Ort des Arbeitsverhältnisses festgelegt und damit der Kernbereich des Arbeitsvertrages angesprochen. Im Rahmen des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO besitze der Arbeitgeber zwar ein Direktionsrecht, dieses sei nach dem gesetzlichen Leitbild dieser Vorschrift aber nach billigem Ermessen auszuüben. Die Wahrung billigen Ermessens bedeute nach ständiger Rechtsprechung immer die Berücksichtigung auch der Interessen des Arbeitnehmers (BAG, Urteil v. 11. 4. 2006, 9 AZR 557/05). Dabei dürfe eine Klausel zur Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort durchaus an betriebliche Erfordernisse anknüpfen (BAG, Urteil v. 28.8.2013, 10 AZR 569/12).

Voraussetzungsfreie Kündigungsvereinbarungen sind unwirksam

Nach Ansicht der Arbeitsrichter genügte die hier verwendete Klausel nicht einmal diesen Mindestanforderungen, da die Kündigung einseitig ohne Anknüpfung an betriebliche Erfordernisse und ohne Berücksichtigung der Interessen des Klägers ausgeübt werden konnte. Damit war die entsprechende Kündigungsvereinbarung unwirksam. Den Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung entsprechend der vereinbarten mindestens 40-prozentigen Telearbeit sahen die Gerichte als begründet an.

Der Betriebsrat hätte angehört werden müssen

Das LAG stütze die Unwirksamkeit der Kündigung auf einen zweiten Gesichtspunkt: Bei der Beendigung der Telearbeit handelte es sich nach Auffassung der Richter um eine Versetzung gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVerfG. Die Beendigung der Telearbeit bedeute eine teilweise Verlagerung des Arbeitsortes. Ohne die alternierende Telearbeit verändere sich aus der Sicht eines betrieblichen Betrachters das gesamte Bild der Tätigkeit des Klägers. Aufgabe und Verantwortung des Klägers und dessen Einordnung in den Arbeitsablauf der Beklagten würden grundlegend umstrukturiert. Dies folge nicht in erster Linie aus der örtlichen Verlagerung der Tätigkeit, sondern aus der Veränderung der typischen Pflichten des Arbeitnehmers im Rahmen der Teletätigkeit. Bei dieser sei der Arbeitnehmer in völlig anderer Weise in die Aufgabenerfüllung und den Betriebsablauf eingebunden. Da somit begrifflich eine Versetzung vorliege, hätte diese nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats erfolgen dürfen (BAG, Urteil v. 5.4.2001, 2 AZR 580/99). Auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Kündigungserklärung daher unwirksam.

(LAG Düsseldorf, Urteil v. 10.9.2014, 12 Sa 505/14)

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