Keine gesetzlicher Versicherungsschutz für Zeugen einer Straftat

Wer bei gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leistet und bei seiner guten Tat verletzt wird, steht für diese Hilfeleistung grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Wer aber lediglich bei einer Schießerei anwesend ist, ohne aktiv Hilfe zu leisten oder seinen Hilfsbeitrag nicht nachweisen kann, für diesen scheidet ein Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung aus.

Im Juli 2012 wurde bei einem Polizeieinsatz ein mit einem Messer bewaffneter Mann erschossen, welcher zuvor in einem Café zwei Frauen angegriffen hatte. Dies ereignete sich mitten auf dem Marktplatz der Altstadt von Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) und wurde von etlichen Zeugen beobachtet.

Zeuge einer tödlichen Schießerei hat keinen Anspruch auf Leistungen

Einer der Zeugen beantragte einen Monat später bei der Unfallkasse Baden-Württemberg das Ereignis als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen und legte hierzu ein ärztliches Attest vor, in welchem der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung geäußert wurde.

  • Er habe mitgeholfen, den Täter zu verfolgen und Passanten zu warnen.
  • Durch die Beobachtung der Schießerei sei es sodann zur gesundheitlichen Beeinträchtigung gekommen.
  • Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte den Antrag ab, da der Kläger in den Akten der Staatsanwaltschaft nur kurz erwähnt worden und ein aktives Handeln zugunsten dritter Personen nicht ersichtlich sei.

Hilfeleistung muss glaubhaft gemacht werden

Nachdem das SG Mannheim der Klage des Mannes stattgab, hob das Stuttgarter Landessozialgericht das Urteil der 1. Instanz wieder auf.

  • Zwar seien gemäß den Vorschriften des 7. Sozialgesetzbuches auch solche Personen versichert, welche bei Unglücksfällen oder einer gemeinen Gefahr oder Not Hilfe leisten bzw. einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten.
  • Vorliegend sei aber lediglich nachgewiesen, dass sich der Kläger in etwa 20 Metern Abstand zu dem Geschehen befunden habe.
  • Das reichte dem Gericht nicht, um den Kläger als Strafverfolger oder Nothelfer einzuordnen.

LSG: Aktive Hilfeleistung nicht nachgewiesen

Aus den Ermittlungsakten und den Zeugenbefragungen lasse sich jedoch kein aktiver Beitrag des Klägers zugunsten anderer Personen erkennen. Er sei mit weiteren Personen hinter dem Täter hergerannt, ohne ihn aktiv zu verfolgen und ohne andere Passanten aus dem Gefahrenbereich zu verbringen. Aufgrund des fehlenden Nachweises einer aktiven Hilfeleistung scheide daher der geltend gemachte Anspruch des Klägers aus, entschied das Gericht.

(OLG Hamm, Beschluss v. 16.08.2016, 2 WF 46/15).


§ 2 SGB VII – Versicherung kraft Gesetzes

(1) Kraft Gesetzes sind versichert
...
12. Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen,
13. Personen, die
a) bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b) Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c) sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,

...

Hintergrundwissen

Ersatzberechtigt sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 11a, Nr. 12 und Nr. 13a und c versicherte Personen bei der versicherten Tätigkeit. D.h., wie bei der Prüfung des Arbeitsunfalls muss eine Verrichtung vorliegen, die einen inneren sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit aufweist. Dabei handelt es sich um

  • Diensthandlungen für den Staat (außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses, z. B. Schülerlotsen),
  • Unfallhelfer,
  • Lebensretter,
  • Strafverfolger
  • oder Nothelfer.