Anerkennung von Blasenkrebs als Berufskrankheit bei 2-Naphthylamin-Kontakt
Ein 59-jähriger Mann, der in den Jahren 1984 und 1986 für 14 Monate in einer Gummifertigung gearbeitet hatte, erhielt im Alter von 41 Jahren die Diagnose Blasentumor. Es sprachen schon damals viele Gründe dafür, dass der Tumor mit der Arbeit des Mannes zusammenhing, konkret damit, dass er dem Alterungsschutzmittel Phenyl-2-Naphtylamin (P2NA) und dem darin enthaltenen 2-Naphthylamin ausgesetzt war.
Berufsgenossenschaft sah keine Berufskrankheit
Doch die Berufsgenossenschaft weigerte sich, die Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen.
- Die Exposition gegenüber dem Alterungsschutzmittel sei zu gering gewesen, um ursächlich mit der Erkrankung zu tun zu haben, wurde ein Sachverständiger zitiert.
- Die Erkrankung des Mannes, der Raucher war, sei wahrscheinlich auf seinen Zigarettenkonsum zurückzuführen.
Im folgenden sozialgerichtlichen Verfahren hatte der Mann zunächst keinen Erfolg. Einen Überprüfungsantrag aus dem Jahr 2011 lehnte die Berufsgenossenschaft ebenfalls ab. Der Betroffene setzte sich zur Wehr und klagte vor dem Hessischen Landessozialgericht.
Hessischen LSG entschied gegen Berufsgenossenschaft
Das Hessische Landessozialgericht verurteilte schließlich die Berufsgenossenschaft dazu , die Krebserkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen.
- Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass der Gefahrenstoff 2-Naphthylamin,
- dem der Mann während der 14 Monate andauernden Arbeit ausgesetzt war,
- zusammen mit dem Tabakkonsum den Blasenkrebs verursacht habe.
Zu der Gefährlichkeit von 2-Naphthylamin
Das Gericht schrieb 2-Naphthylamin eine hohe Relevanz für die Erkrankung zu:
- es gehöre zu den Stoffen, denen in Hinblick auf ihr kanzerogenes Potenzial die größte Bedeutung zugemessen werde
- in der MAK-Liste der Deutschen Forschungsgesellschaft, die angibt, welche maximal zulässige Menge eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz langfristig keinen Gesundheitsschaden verursacht, sei dieses Amin in die Kategorie 1 eingestuft
- in die Kategorie 1 werden Stoffe eingeordnet, die beim Menschen Krebs erzeugen und bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten
- nach dem BK-Report 1/2104 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sei das Krebsrisiko beim Menschen nach der Aufnahme von 2-Naphthylamin als deutlich erheblicher zu bewerten als bisher angenommen.
Dazu komme, dass der Gefahrenstoff sehr gut durch die Haut penetriere. Deshalb komme zu der inhalativen Aufnahme am Arbeitsplatz des Mannes auch noch die Belastung über den Hautkontakt hinzu.
Auch wenn der Umfang der Gefahrenstoff-Exposition im konkreten Fall nicht mehr genau nachzuvollziehen sei, sei von einer nicht nur geringen Menge auszugehen. Zudem gebe es in der Wissenschaft keinen Konsens darüber, was die Forderung einer Mindest- oder Schwellendosis angehe.
Möglicher Einfluss des Rauchens auf die Erkrankung
Das Gericht äußerte sich auch zum möglichen Einfluss des Rauchens auf die Erkrankung:
- der Tabakkonsum des Mannes habe zwar ebenfalls zu einer Belastung mit 2-Naphthylamin geführt
- dieses außerberufliche Risiko sei aber nicht überragend gewesen, da der Mann nur mäßig geraucht habe
- bei der beruflichen Gefahrstoffexposition handele es sich um eine (Teil-)Ursache, die für die Krebserkrankung rechtlich wesentlich sei
Die Revision wurde zugelassen.
(Hessisches LSG, Urteil v. 04.07.2018, L 3 U 129/13)
Hintergrund:
MAK-Liste der Deutschen Forschungsgesellschaft:
Die Aufgabe der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) besteht gemäß der Satzung der DFG in der wissenschaftlichen Politikberatung. Dazu erarbeitet die MAK-Kommission Vorschläge für maximale Arbeitsplatz-Konzentrationen (MAK-Werte)
- für flüchtige Chemikalien und Stäube,
- biologische Arbeitsstoff-Toleranzwerte (BAT-Werte),
- biologische Leitwerte (BLW) bzw. biologische Arbeitsstoff-Refernzwerte (BAR)
- und Verfahren zur Analytik der Arbeitsstoffe in der Luft und in biologischem Material.
Krebserzeugende, keimzellmutagene, sensibilisierende, hautresorptive und die Schwangerschaft beeinträchtigende Stoffe werden entsprechend markiert.
Normen:
§ 7 SGB VII
- Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
§ 9 SGB VII
(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2,3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind;
(…)
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