Arbeitsunfall nur, wenn Berufliches - nicht Streit - die Unfallsache ist
Ein dubioser Nachbarschaftsstreit beschäftigte das Landessozialgericht Baden-Württemberg. Der Kläger, ein 78-jähriger Landwirt, beantragte im Jahr 2015 Versicherungsleistungen wegen eines Arbeitsunfalls. Begründung: Sein Nachbar habe ihn im Jahr 2010 im Wald angegriffen und mit einem Messer einen Nervenstrang des rechten Unterarms durchtrennt.
Arbeitsunfall nach unklarer Rauferei?
Die Situation war alles andere als klar. Zwar war es zu einem Treffen im Wald gekommen. Der Nachbar hatte aber bei den polizeilichen Ermittlungen die Vorwürfe bestritten und Anzeige gegen den Kläger wegen falscher Verdächtigung erstattet. Er beschrieb die Situation komplett anders.
Staatsanwalt konnte Vorfall nicht klären
Der Kläger habe ihn angegriffen und mit einem Zaunpfahl schlagen wollen. Er habe den Angriff abgewehrt. Dabei sei der Kläger zu Fall gekommen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Nachbarn ein. Begründung: Der Vorgang lasse sich nicht aufklären. Letztlich stehe Aussage gegen Aussage.
Damit war auch der Arbeitsunfall nicht zu belegen
Auch die Klage des Landwirts gegen die Sozialversicherung blieb erfolglos. Dem Kläger stehen keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu, entschied das LSG Baden-Württemberg und schloss sich damit der Entscheidung des SG Reutlingen an. Das Gericht begründete seine ablehnende Entscheidung wie folgt:
Berufliche Tätigkeit muss Ursache für Verletzung sein
Ein Versicherungsfall i. S. d. gesetzlichen Unfallversicherung liege nur vor, wenn die berufliche Tätigkeit Ursache für einen Gesundheitsschaden sei
- Schon der behauptete tätliche Angriff während der beruflichen Tätigkeit habe sich nicht nachweisen lassen. Doch darauf komme es letztlich auch nicht an.
- Nach den Erkenntnissen des Ermittlungsverfahrens war der Angriff auf den jahrelang schwelenden Streit unter Nachbarn zurückzuführen
- Der Angriff stehe deshalb nicht in Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Klägers
(LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.12.2016, L 6 U 3639/16)
Weitere News zur gesetzlichen Unfallversicherung:
Unfälle in der Nachmittagspause sind keine Arbeitsunfälle
Hintergrundinfo:
Für die Anerkennung als Arbeitsunfall ist erforderlich:
- dass zwischen der Beschäftigung des Versicherten und dem eingetretenen Unfallereignis ein sachlicher und innerer Zusammenhang besteht, d.h., dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist,
- dass ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis das Unfallgeschehen kausal verursacht hat und
- das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten zur Folge hat (=haftungsbegründende Kausalität) (BSG, Urteil v. 8.11.2008, B 2 U 27/07).
Nachbarstreitigkeiten
Für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist die obige wohl eine beruhigende Entscheidung. Denn Nachbarschafts-Streitigkeiten haben in Deutschland Hochkonjunktur.
Laut einer Befragung der Gesellschaft für Konsumforschung und von Statista lag die Streitquote unter Nachbarn 2014 zwischen 13,9 und 50,2 Prozent.
Die Bundesländer mit den höchsten Quoten an Nachbarschaftsstreitigkeiten:
- Hamburg: 50,2 Prozent
- Baden-Württemberg: 42,9 Prozent
- Sachsen: 38,8 Prozent
Deutlich weniger streitsüchtig waren die Nachbarn in:
- Berlin: 13,9 Prozent
- Bayern: 25,3 Prozent
- Brandenburg: 27,4 Prozent
-
Personalgespräch - Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers
1.2441
-
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers
826
-
Rolle des Integrationsamts bei Kündigung schwerbehinderter Menschen
6841
-
Mutterschutzlohn: Anspruch und Berechnung im individuellen Beschäftigungsverbot
641
-
Betriebsferien: Wann kann der Arbeitgeber Urlaub anordnen?
494
-
Wenn Arbeitnehmer die Kündigungsfristen nicht einhalten
478
-
Worauf ist bei Abmahnungen zu achten?
463
-
Krankmeldung aus dem Ausland: Welche Vorgaben sind zu beachten?
366
-
Ist das Ausrutschen auf der betrieblichen Toilette ein Arbeitsunfall?
351
-
Kündigung gegenüber einem minderjährigen Auszubildenden
302
-
Kryptowährung als Arbeitsentgelt ist zulässig
22.12.2025
-
Skiunfall ist kein Arbeitsunfall
01.12.2025
-
Kündigung nach online erworbener AU-Bescheinigung ohne ärztliche Untersuchung
18.11.2025
-
Sturz beim Kaffeeholen kann Arbeitsunfall sein
06.10.2025
-
Meldestelle für Hinweisgeber mitbestimmungspflichtig
12.09.2025
-
Worauf ist bei Abmahnungen zu achten?
19.08.2025
-
100.000 EUR für Jurastudenten wegen Kündigung des Aushilfsjobs
30.07.2025
-
Misslungener Zeugenbeweis für den Zugang einer Kündigung
10.07.2025
-
Sturz beim Kaffeetrinken kann Arbeitsunfall sein
02.07.2025
-
Unzulässige Kündigung eines angestellten Rechtsanwalts
10.06.2025