Anschließend wird diskutiert, inwieweit die einzelnen Instrumente geeignet sind, eine systematische, vollständige und wirtschaftliche Risikoidentifikation zu unterstützen.

 
Instrument Systematik Vollständigkeit Wirtschaftlichkeit
Risikochecklisten hohe Systematik durch strukturiertes Vorgehen bei laufender Anpassung vollständig, zur Identifikation neuer Risiken eher ungeeignet günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
Dokumentenanalyse abhängig von konkreter Ausgestaltung unvollständig, da vergangenheitsorientiert, nur Identifikation dokumentierter Risiken je nach Dokumentation zeitaufwändig
Expertenbefragung abhängig von konkreter Ausgestaltung, Delphi-Methode eher systematisch unvollständig, da primär für externe Risiken geeignet, Identifizierung neuer Risiken möglich je nach Ausgestaltung zeitaufwändig, ggf. Honorar für Experten
Mitarbeiterbefragung abhängig von konkreter Ausgestaltung unvollständig, da primär für interne Risiken geeignet je nach Anzahl der Mitarbeiter zeitaufwändig
SWOT-Analysen hohe Systematik durch Integration der Ergebnisse anderer Analysen unvollständig, da primär für strategische Risiken geeignet zeitaufwändig, da Ergebnisse anderer Analysen notwendig
Früherkennungssysteme i. w. S. hohe Systematik durch Auswertung festgelegter Kennzahlen, Indikatoren und schwacher Signale vollständig, auch Identifizierung neuer Risiken möglich je nach Anzahl der Kennzahlen, Indikatoren und schwachen Signale sehr zeitaufwändig
Prozess-/Systemanalysen hohe Systematik durch Zerlegung der Prozesse bzw. Systeme unvollständig, da primär für technische Risiken geeignet je nach Komplexität der Prozesse bzw. Systeme aufwändig
Annahmenanalyse der operativen Planung hohe Systematik durch Variation der Planungsannahmen unvollständig, da sehr aggregierte Risikoidentifikation günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis

Abb. 8: Evaluation der Instrumente zur Risikoidentifikation[1]

Die Übersicht zeigt, dass alle Instrumente Stärken und Schwächen aufweisen. Bei der Mehrzahl der Instrumente besteht das größte Problem in der unvollständigen Erfassung aller Risiken. Mit Ausnahme der Risikochecklisten und der Früherkennungssysteme i. w. S. erlauben die Instrumente vielfach nur die Identifizierung bestimmter Risikoarten. So ist eine Mitarbeiterbefragung i. d. R. auf unternehmensinterne Risiken beschränkt und birgt die Gefahr der Betriebsblindheit. Zum Erkennen neuer, externer Risiken sind Expertenbefragungen und Früherkennungssysteme i. e. S. geeignet. Dagegen können durch Risikochecklisten vor allem bekannte Risiken regelmäßig überprüft werden. Gerade der Vollständigkeit kommt in der Risikoidentifikation eine zentrale Bedeutung zu, da nicht erkannte Risiken im Risikomanagement-Prozess nicht bewertet und gesteuert werden können. Die Systematik und die Wirtschaftlichkeit werden dagegen von der konkreten Ausgestaltung der Instrumente in der Praxis beeinflusst. Um möglichst viele Risiken zu erfassen, sollten verschiedene Instrumente kombiniert werden. Dadurch können Vorteile einzelner Instrumente genutzt und Schwächen kompensiert werden.[2]

Risikoidentifikation in der Praxis

In der Praxis dominiert das Kriterium der Wirtschaftlichkeit. Nach den Ergebnissen der regelmäßig durchgeführten PwC-Benchmarkingstudien zum Risikomanagement werden vor allem Risikokataloge, Erhebungsbögen und IT-Eingabetools zur Risikoidentifikation eingesetzt. Interviews und Workshops werden von ca. 30 % bzw. 20 % der Unternehmen zur Risikoidentifikation eingesetzt. Allerdings werden die Risikokataloge in einem Drittel der Unternehmen nicht regelmäßig aktualisiert. Maximal 10 % der befragten Unternehmen haben zur Identifikation aller wesentlichen Risiken Frühwarnindikatoren und Toleranzgrenzen für diese definiert. Fast die Hälfte der Unternehmen identifiziert ihre Risiken nur quartalsweise. Insgesamt besteht die Gefahr, dass insbesondere neuartige Risiken nicht rechtzeitig identifiziert werden.[3]

[1] In Erweiterung von Vanini, 2012, S. 146.
[2] Vgl. die umfassende Diskussion bei Vanini, 2012, S. 144 ff.
[3] Vgl. Herre/Sandmann/Wehking/Winefeld, 2012, S. 25 ff.; Tilch/Lenz/Scheffler/Andreas/Obersdorf/Yilmaz, 2015, S. 26 ff.

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