Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang einer schriftlichen Willenserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Ein Kündigungsschreiben, das nach 16.00 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen wird, geht nicht mehr am Tag des Einwurfs zu.

2) Es war nicht zu entscheiden, ob das anders ist, wenn das Kündigungsschreiben vor 16.00 Uhr aber nach 14.00 Uhr eingeworfen wird.

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 15.04.2010; Aktenzeichen 10 Ca 11351/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.04.2010 – 10 Ca 11351/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob durch eine als fristlose, hilfsweise als fristgerechte ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 17.11.2009 das Arbeitsverhältnis mit Datum der fristlosen Kündigung beendet worden ist oder ob es noch bis zum 02.12.2009 bestanden hat, und um im Wesentlichen davon abhängige Zahlungsansprüche. Dabei geht der Streit der Parteien im insbesondere darum, ob die Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten ist, was davon abhängt, ob die Kündigung bereits am 17.11.2009 oder erst am Folgetage zugegangen ist.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Gegen dieses ihr am 23.04.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.05.2010 Berufung eingelegt und diese am 18.06.2010 begründet.

Die Beklagte wendet sich in ihrer Berufungsbegründung im Wesentlichen gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts Köln, dass ein Einwurf des Kündigungsschreibens nach 16.00 Uhr erst zu einem Zugang am nächsten Tage führe.

Die Beklagte meint, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.12.1983 (2 AZR 337/82), sei nicht mehr zeitgemäß. Nach allgemeiner Verkehrsanschauung sei die Vorstellung überholt, dass mit der Briefkastenleerung nur vormittags zu rechnen sei. Eine im Vordingen befindliche Auffassung, zu der die Beklagte auch das LAG Hamm rechnet, gehe davon aus, dass bis 18.00 Uhr eingeworfene Briefe noch am selben Tag zugingen. Die Post AG und insbesondere andere Anbieter stellten auch am Nachmittag zu. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass die zunehmende Zahl alleinstehender Berufstätiger vielfach erst nach 18.00 Uhr nach Hause komme. Der Marktanteil der Wettbewerber bei der Post allein bei den Briefzustellungen liege mittlerweile bei über 10 %.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz, insbesondere auch wegen der Rechtsausführungen, wird auf die Berufungsbegründung und den Schriftsatz der Beklagten vom 12.08.2010 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 15.04.2010 – 10 Ca 11351/09 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Vorstellung, dass mit der Briefkastenleerung nur vormittags zu rechnen sei, sei nach allgemeiner Verkehrsanschauung keineswegs überholt. Dementsprechend sei nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung bei Zustellungen nach 14.00 Uhr nicht mehr von einem Zugang am selben Tage auszugehen.

Insbesondere sei in der Umgebung, in der er, der Kläger, wohne, eine Zustellung der Post nach 16.00 Uhr nicht möglich. Die Post werde in die Briefkästen der Anleger stets in den Vormittagsstunden eingelegt. Dazu beruft sich der Kläger auf die Bestätigungen mehrerer Personen aus der Nachbarschaft (Bl. 106 ff. d. A.) und auf deren Zeugnis.

Was schließlich den Marktanteil der D P A angehe, so habe dieser im Jahre 2008 bei über 90 %, im Jahre 2009 bei etwa 95 % gelegen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache keinen Erfolg.

A. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass auch dann, wenn man die streitige Behauptung der Beklagten, das Kündigungsschreiben sei am Nachmittag des 17.11.2009 um 16.13 Uhr in den Briefkasten des Klägers geworfen worden, dieses im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB erst am 18.11.2009 zugegangen ist.

I. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (08.12.1983 – 2 AZR 337/82) gilt allgemein für den Zugang einer schriftlichen Willenserklärung zunächst Folgendes: Das Schreiben muss in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsbereiten Dritten gelangen und für den Empfänger muss unter gewöhnlichen Umständen eine Kenntnisnahme zu erwarten sein. Dieses Letztere bedeutet, dass nach der Verkehrsanschauung zu erwarten sein muss, dass der Empfänger sich alsbald die Kenntnisse auch tatsächlich verschafft. Erreicht eine Willenserklärung die Empfangseinrichtungen des Adressa...

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