Rz. 85

Bei Abweisung des Antrags des Arbeitgebers bleibt das absolute Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 bestehen.

Gibt die Behörde dem Antrag des Arbeitgebers statt, so wird die Kündigungssperre aufgehoben und der Arbeitgeber kann die Kündigung aussprechen.

Dabei muss er nicht bis zur Bestandskraft der Zulässigkeitserklärung warten, auch wenn die Erlaubnis der Behörde von der Arbeitnehmerin durch Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen wird, kann eine Kündigung erfolgen. Auch ist nicht erforderlich, dass er in diesem Fall die sofortige Vollziehbarkeit des Zulässigkeitsbescheids beantragt. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO, diese bezieht sich aber nur auf die Vollziehbarkeit, nicht aber auf die Wirksamkeit des Bescheids. Mit der Zulässigkeitserklärung liegt zunächst ein ausreichender Bescheid vor, aufgrund dessen der Arbeitgeber die Kündigung erklären kann. Allerdings kann die ausgesprochene Kündigung erst rechtswirksam werden, wenn der Bescheid auch seine "innere Wirksamkeit" entfaltet und bestandskräftig ist. Daher ist die Kündigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Widerspruch/Anfechtungsklage "schwebend wirksam."[1] Erweist sich das Rechtsmittel der Frau im Ergebnis als erfolglos und der Zustimmungsbescheid als rechtsbeständig, ist die vor Bestandskraft des Bescheids ausgesprochene Kündigung mutterschutzrechtlich nicht zu beanstanden und scheitert nicht an § 17.

Als Folge dieser zutreffenden Rechtsprechung ist ein Antrag des Arbeitgebers auf sofortige Vollziehung des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht nur unnötig, er erweist sich aufgrund des hierfür fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses auch als unzulässig.[2]

 

Rz. 86

Der Arbeitgeber muss die Kündigung nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Erhalt der behördlichen Zustimmung aussprechen, da § 17 Abs. 2 eine solche nicht vorsieht und eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 171 Abs. 3 SGB IX mangels Regelungslücke nicht möglich ist.[3] Es genügt ein "hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang" zur Zulässigkeitserklärung.[4]

Erweist sich eine für zulässig erklärte Kündigung aus Formgründen, etwa wegen fehlender Schriftform oder wirksamer Zurückweisung mangels Vorlage einer Originalvollmacht nach § 174 Satz 1 BGB, als formell unwirksam, so kann der Arbeitgeber eine auf denselben Sachverhalt gestützte wiederholte Kündigung aussprechen, ohne eine erneute Zulässigkeitserklärung zu beantragen. Dies wird mit einer Parallelwertung zu § 168 SGB IX begründet, da die Behörde nicht der konkreten Kündigungserklärung, sondern dem zugrunde liegenden Sachverhalt zugestimmt hat.[5] Bleiben die Kündigungsgründe dabei identisch, so bedarf es grds. keiner erneuten Anhörung des Betriebsrats. Bei einer außerordentlichen Kündigung muss er dabei aber die 2-wöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB für den Ausspruch der Kündigung beachten.

 

Rz. 87

Die Zulässigkeitserklärung der Behörde besagt nichts über die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung, auch eine diesbezügliche Vermutung wird nicht begründet.[6] Die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung obliegt vielmehr nur den Gerichten für Arbeitssachen. Diese prüfen im Rahmen einer Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin, ob die Kündigung formell wirksam ausgesprochen wurde (Einhaltung der Schriftform, Ausspruch durch den Arbeitgeber oder einen wirksam bevollmächtigten Vertreter mit Vorlage einer Originalvollmacht), ein bestehender Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG angehört wurde, die ordentliche Kündigung bei Eingreifen des KSchG durch verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Gründe sozial gerechtfertigt nach § 1 KSchG ist, ob bei einer außerordentlichen Kündigung ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegt und die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten wurde und ob eine wirksame Zulässigkeitserklärung der Aufsichtsbehörde nach § 17 Abs. 2 vorliegt.

Dagegen dürfen die Arbeitsgerichte die Rechtmäßigkeit des Zulässigkeitsbescheids sowie die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs- oder Klagverfahrens hiergegen nicht prüfen, da dies die Aufgabe der Widerspruchsbehörde bzw. der Verwaltungsgerichte ist.

Das Arbeitsgericht ist nicht verpflichtet, einen parallel zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren laufenden Kündigungsschutzprozess nach § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 148 ZPO auszusetzen[7], dies ist aber zweckmäßig, sofern die Kündigung nicht bereits aus anderen Gründen offensichtlich unwirksam ist. Erfolgt keine Aussetzung und wird in dem Verwaltungsrechtsstreit die Zulässigkeitserklärung rechtskräftig versagt, so stellt dies für den bereits abgeschlossenen Kündigungsschutzprozess einen Restitutionsgrund analog § 580 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dar.[8]

[1] BAG, Urteil v. 17.6.2003, 2 AZR 245/02, NZA 2003, 1329; BAG, Urteil v. 25.3.2004, 2 AZR 295/03, NZA 2004, 1064; a. A. APS/Rolfs, § 17 MuSchG, Rz. 135, 136 der einen Antrag des Arbeitgebers auf sofortige Vollziehung des Bescheids für erforderlich hält.
[2] Für das Schwerbehindertenrec...

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