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Der Kündigungsschutz ist ein, vielleicht der zentrale Pfeiler des Arbeitsrechts. Das liegt schon an der Bedeutung des Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer: Die Arbeit "ist regelmäßig die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Arbeitnehmers. Lebenszuschnitt und Wohnumfeld werden davon bestimmt, ebenso gesellschaftliche Stellung und Selbstwertgefühl. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dieses ökonomische und soziale Beziehungsgeflecht infrage gestellt. Gelingt es ihm (dem Arbeitnehmer) nicht, alsbald einen neuen Arbeitsplatz zu finden, gerät er häufig in eine Krise, in der ihm durch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nur teilweise und nur für einen begrenzten Zeitraum geholfen wird". Das BVerfG[1] hat mit diesen Worten den Verfassungsrang eines Minimums an Kündigungsschutz begründet.

Ein weiterer, nicht minder wichtiger Grund tritt hinzu: Der Arbeitnehmer, der keinen wie auch immer gearteten Kündigungsschutz genießt, wird seine Rechte nicht einklagen, sieht er sich doch der Gefahr des Verlustes seines Arbeitsplatzes ausgesetzt. Voraussetzung allen Arbeitsrechts ist daher der Schutz vor willkürlichen oder maßregelnden Kündigungen. Schon Alfred Hueck, ein großer Arbeitsrechtler der Weimarer Zeit, wies daher vor mehr als einem Dreivierteljahrhundert darauf hin, dass der Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer "von ganz besonderer Bedeutung ist" und dass zudem – heute zuweilen vergessen – "ein Interesse der Volkswirtschaft an der Stetigkeit des Arbeitsverhältnisses [besteht]. Es erscheint wünschenswert, wenn dem Arbeitnehmer ein Gefühl der Sicherheit, der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb gegeben wird, wenn in Zeiten schlechter Konjunktur die Arbeit gestreckt und Entlassungen und völlige Arbeitslosigkeit möglichst vermieden werden".[2]

 

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Neben das Individualinteresse am Kündigungsschutz tritt ein kollektives Interesse der Allgemeinheit: Er dient dem sozialen Frieden.

An anderer Stelle verwies Hueck freilich schon damals auch auf die Kehrseite der Medaille, die heute klarer denn je hervortritt: "So wünschenswert vom sozialen Standpunkt aus ein möglichst intensiver Schutz der Arbeitnehmer, eine möglichst weitgehende Besserung ihrer Lage ist, die Bestrebungen in dieser Richtung finden ihre Grenze an der Belastungsfähigkeit der Wirtschaft. … Die besten Arbeitsbedingungen werden nutzlos, ja, sie schädigen die Arbeitnehmer, wenn sie die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft vernichten und damit zur Arbeitslosigkeit führen".[3] Kündigungsschutz schafft nicht nur Arbeitnehmerschutz, sondern kann sich als Einstellungshindernis erweisen und als Grund zur Arbeitslosigkeit. Das Dilemma ist bis heute dasselbe geblieben: Wie viel Sicherheit des Arbeitnehmers ist nötig und wie viel Flexibilität des Arbeitsmarkts? Allgemein akzeptierte Antworten wurden hierauf bislang nicht gefunden. Die Diskussion dauert an und prägt die aktuellen Reformen.

[1] BVerfG, Beschluss v. 27.1.1998, 1 BvL 15/87, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17.
[2] Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, 7. Aufl. 1963, S. 303.
[3] Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 26.

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