Rz. 28a

Versicherungspflichtige Pflegezeiten nach Abs. 2b richteten sich bis zum 31.12.2016 nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Pflegezeitgesetz. Danach waren Beschäftigte von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung während einer Pflegezeit von längstens 6 Monaten pflegen. Pflegezeit konnte nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitgeber regelmäßig nur 15 oder weniger Beschäftigte hat. Die Vorschrift wollte Beschäftigten die Möglichkeit eröffnen, pflegebedürftige Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit eine Verbesserung bei der Vereinbarkeit von familiärer Pflege mit dem Beruf zu erzielen. Eine Pflegetätigkeit außerhalb der häuslichen Umgebung, etwa in einer Pflegeeinrichtung, steht dem Eintritt von Versicherungspflicht entgegen.

 

Rz. 28b

Versicherungspflicht setzt Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14, 15 SGB XI voraus. Pflegetätigkeiten i. S. v. Abs. 2b Satz 1 i. d. F. ab 1.1.2017 sollen nur solche sein, die seit dem 1.1.2017 unmittelbar an eine vorbestehende Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bzw. an einen Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III anschließen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.11.2021, L 20 AL 178/20, entgegen LSG Hamburg, Urteil v. 11.8.2021, L 2 AL 2/21). Dem hat das BSG widersprochen (BSG, Urteil v. 6.6.2023, B 11 AL 1/22 R). Der Wortlaut der Vorschrift fordert dies nicht und auch nicht, dass die Versicherten unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1.1.2017 bereits zu dem durch die Arbeitslosenversicherung geschützten Personenkreis gehört haben müssen. Vielmehr reicht ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Versicherungspflicht und einer entsprechenden Pflegetätigkeit aus. Diese Voraussetzung erfüllte der Arbeitnehmer im entschiedenen Verfahren, weil er vor Aufnahme seiner Pflegetätigkeit 2006 durch seine Beschäftigung zum geschützten Personenkreis gehörte.

 

Rz. 28c

Nahe Angehörige sind Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Großeltern, Eltern, Schwiegereltern sowie Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

 

Rz. 28d

Versicherungspflicht kann nur eintreten, wenn die Pflegezeit in unmittelbarem Anschluss an eine Versicherungszeit beginnt. Als unmittelbarer Anschluss kann auch noch eine Versicherungspflichtzeit gelten, die innerhalb eines Monats vor dem Beginn der Pflegezeit liegt. Zur Unmittelbarkeit wird auch vertreten, dass darin kein rein zeitliches Erfordernis zu sehen ist, schon weil es auch keine abstrakte Höchstgrenze für eine unschädliche Unterbrechung gebe. Nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 26 soll es entscheidend auf die für die Lücke ursächlichen Umstände des Einzelfalles ankommen (SG Marburg, Urteil v. 26.10.2015, S 2 AL 114/13; anders LSG Sachsen, Urteil v. 5.12.2013, L 3 AL 36/11). Dahinter soll der Gedanke der arbeitsförderungsrechtlichen Kontinuität stehen.

 

Rz. 28e

Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Bei privater Pflege-Pflichtversicherung ist ein gleichwertiger Nachweis zu erbringen.

 

Rz. 28f

Auf den Umfang der Pflege kam es bis zum 31.12.2016 nicht an. Pflegezeiten vor dem 1.7.2008 konnten nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit berücksichtigt werden. Die Versicherungszeit endete mit Ende der Pflegetätigkeit. Die Höchstdauer beträgt 6 Monate. Ist der nahe Angehörige vorher nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar, endete die Pflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Das Pflegeversicherungsrecht berücksichtigte auch die freiwillige Versicherung zur Arbeitsförderung (Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag). Dort ist zwischenzeitlich klargestellt, dass Versicherungspflicht auf Antrag auch durch Zusammenrechnung von Pflegezeiten begründet werden kann. Versicherungspflichtzeiten nach Abs. 2b am 31.12.2016 bleiben für die Dauer der Pflegezeit über dieses Datum hinaus versicherungspflichtige Zeiten (vgl. § 446 Abs. 1).

 

Rz. 28g

Ab 2017 sind die Regelungen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes maßgebend. Es kommt für die Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung nicht mehr darauf an, ob es sich bei der zu pflegenden Person um einen Angehörigen der Pflegeperson handelt. Entscheidend sind vielmehr

  • mindestens ein Pflegegrad 2 bei der pflegebedürftigen Person; dafür bedarf es mindestens 27 von 100 Punkten (Gesamtpunkte) und damit erheblicher Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten beim Pflegebedürftigen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI),
  • der Bezug von Leistungen wegen der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Pflegeversicherung), dem SGB XII (Hilfe zur Pflege) oder gleichartigen Leistungen nach anderen Vorschriften,
  • eine Pflegetätigkeit von mindestens 10 Stunden wöchentlich ...

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