Sachverhalt

Ein Arbeitgeber hat am 7.1. einen Arbeitnehmer eingestellt und ihm im gleichen Jahr gekündigt. Ein Tarifvertrag gilt nicht. Der Arbeitgeber gewährt seinen Mitarbeitern 30 Urlaubstage im Kalenderjahr. Der gekündigte Mitarbeiter hat noch keinen Urlaub genommen.

Wie viele Urlaubstage stehen dem Mitarbeiter zu bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum

  1. 15.6. oder
  2. zum 31.7.?

Ergebnis

  1. Da hier nicht ersichtlich ist, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen hinausgehende Urlaubsanspruch gesonderten Vorschriften unterliegt (d. h. vom Mindesturlaub abgekoppelt ist), ist auf den gesamten Urlaubsanspruch das BUrlG anzuwenden. Anders wäre es, wenn es für den übergesetzlichen Urlaub Sonderregelungen, z. B. in einem anzuwendenden Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag gäbe, dieser also vom Mindesturlaub "abgekoppelt" wäre, was zulässig ist. Nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG entsteht der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses anteilig. Da das Gesetz lediglich von "Monaten" und nicht von "Kalendermonaten" spricht, geht es um volle Beschäftigungsmonate. Hier wurde das Arbeitsverhältnis am 7.1. begründet, weshalb bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.6. 5 Beschäftigungsmonate voll sind. Die 6-monatige Wartezeit des § 4 BUrlG ist nicht erfüllt. Damit ist zu zwölfteln:

    30 Urlaubstage : 12 Monate × 5 Beschäftigungsmonate = 12,5 Urlaubstage.[1] Dieser Anspruch ist auf 13 Urlaubstage aufzurunden.[2]

  2. Die Wartezeit des § 4 BUrlG ist erfüllt. Da das Arbeitsverhältnis aber nicht in der ersten Kalenderjahreshälfte, sondern in der zweiten zu Ende geht, wird nicht nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG gezwölftelt. Der Arbeitnehmer hat folglich einen Anspruch auf 30 Urlaubstage.
 
Hinweis

Im Fall b) kann sich der Arbeitnehmer den Urlaub auch nur anteilig gewähren lassen. Das ist seine Entscheidung. Nimmt er den vollen Urlaub im alten Arbeitsverhältnis bzw. lässt er sich den nicht genommenen vollen Urlaub gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abgelten, hat er allerdings in einem neuen Arbeitsverhältnis, das er im gleichen Kalenderjahr begründet, entsprechend den überproportional gewährten Urlaubstagen im alten Arbeitsverhältnis keine Urlaubsansprüche gegen seinen neuen Arbeitgeber.[3] Auf diese Rechtsfolge kann der alte Arbeitgeber hinweisen.

§ 6 Abs. 1 BUrlG ist eine sog. "negative Anspruchsvoraussetzung". Der Arbeitnehmer muss gegenüber dem neuen Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass ihm der frühere Arbeitgeber nicht bereits den Urlaub für das volle Kalenderjahr erteilt oder abgegolten hat.[4]

Der alte Arbeitgeber ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub zu erteilen.[5]

 
Praxis-Tipp

Bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr sollte der neue Arbeitgeber vom eingestellten Arbeitnehmer eine Bescheinigung des früheren Arbeitgebers nach § 6 Abs. 2 BUrlG über den genommenen oder abgegoltenen Urlaub verlangen.

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