Das Pflegezeitgesetz gewährt in § 2 Abs. 1 PflegeZG jedem Beschäftigten das Recht, bei einer akut auftretenden Pflegesituation eines nahen Angehörigen bis zur Höchstdauer von 10 Arbeitstagen pro Jahr[1] der Arbeit fernzubleiben. Für den Zeitraum vom 23.5.2020 bis einschließlich zum 30.4.2023 durfte ein Beschäftigter bis zu 20 Arbeitstage der Arbeit fernbleiben, wenn die akute Pflegesituation der COVID-19-Pandemie geschuldet war.[2] Ein Kausalzusammenhang zwischen Pflegesituation und COVID-19-Pandemie wurde dabei gesetzlich vermutet, sodass den Beschäftigten hier keine weitere Nachweis- oder Darlegungslast getroffen hat. Diese Ausnahmeregelung war zunächst bis zum 31.12.2020 befristet, wurde dann bis zum 31.12.2022 verlängert und war zum 30.4.2023 ausgelaufen.[3]

§ 2 Abs. 1 PflegeZG gewährt dem Beschäftigten ein unmittelbares, d. h. von keiner Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers abhängiges, Leistungsverweigerungsrecht. Im Zusammenhang mit dieser Akutpflegesituation kann die Kurzzeitpflege nur einmal in Anspruch genommen werden.[4]

Anspruchsvoraussetzungen

  • Die Pflegebedürftigkeit muss sich auf einen nahen Angehörigen des Beschäftigten beziehen. Den Personenkreis bestimmt § 7 Abs. 3 PflegeZG: Großeltern, Eltern, Stief- und Schwiegereltern; Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen bzw. partnerschaftsähnlichen Gemeinschaft sowie Geschwister; leibliche Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder sowie solche des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwieger- und Enkelkinder; Schwäger.
  • Der Angehörige muss pflegebedürftig bzw. "voraussichtlich" pflegebedürftig sein (dazu sogleich unten). Für die Pflegebedürftigkeit maßgeblich sind nach § 7 Abs. 4 PflegeZG die Begriffsbestimmungen der §§ 14 und 15 SGB XI. Danach ist pflegebedürftig, wer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Die Pflegebedürftigkeit gliedert sich in 5 Pflegegrade, wobei bereits das Erreichen des ersten Pflegegrades die Voraussetzungen des Pflegezeitgesetzes erfüllt.
  • Fehlt es objektiv an der Pflegebedürftigkeit, durfte der Beschäftigte dennoch Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen, wenn die Pflegebedürftigkeit "voraussichtlich" gegeben war. Für den Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung genügt gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 PflegeZG, dass die zu pflegende Person voraussichtlich pflegebedürftig im o. g. Sinne ist. Diese Regelung befreit den Beschäftigten von dem Risiko eines unerlaubten, vertragswidrigen Fernbleibens von der Arbeit, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Pflegefall nicht eingetreten ist. Oftmals wird es dem Beschäftigten in der Notsituation nicht möglich sein, sich Gewissheit über die rechtlich zutreffende Einstufung des Krankheitsbilds zu verschaffen. Dafür müssen Tatsachen gegeben sein, die im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Kurzzeitpflege mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen sprechen. Dabei wird sich der Beschäftigte regelmäßig auf die Schwere des Krankheitsfalls und erste Prognosen des medizinischen Fachpersonals, insbesondere eventuell behandelnder Ärzte, verlassen dürfen.
  • Es muss ein Akutfall vorliegen: Die "Pflegesituation" darf zeitlich nicht schon länger vorhersehbar gewesen sein, sondern muss überraschend aufgetreten sein. Dies kann der erstmalige Eintritt (z. B. Unfall), aber auch eine plötzliche Änderung bei schon bestehendem Pflegebedarf (z. B. Zustandsverschlechterung, aber auch der Ausfall der bisher mit der Pflege befassten Person) der Pflegesituation sein.

Mitteilungspflicht des Beschäftigten

Die Freistellung bedarf keiner vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers bzw. Auftraggebers. Der Beschäftigte ist nur verpflichtet, dem Arbeitgeber die Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.[5]"Unverzüglich" im Rechtssinn bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern". Die Information hat zu erfolgen, sobald der Beschäftigte in der Lage ist, die Pflegesituation und ihre Dauer im Hinblick auf ihre Einschränkung bei der Erbringung der Arbeitsleistung einzuschätzen. Ein bestimmter zeitlicher Vorlauf zwischen der Mitteilung an den Arbeitgeber und dem Beginn der Freistellung wird nicht gefordert. Der späteste Termin dürfte im Ausnahmefall noch am ersten Tag der gewünschten Freistellung liegen. Regelmäßig ist allerdings davon auszugehen, dass die akute Pflegesituation sich bei vorangehenden Klinikaufenthalten o. Ä. des pflegebedürftigen Angehörigen zumindest einige Tage, u. U. auch Wochen vorher, ankündigt.

Der Arbeitgeber kann darüber hinaus eine ärztliche Bescheinigung verlangen, die Auskunft gibt über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen und die Erforderlichkeit der Freistellung.[6] Der Arzt muss den unbestimmten Rechtsbegriff der "Erforderlichkeit" u. U. unter Berücksichtigung nichtmedizinischer Aspekte (familiäre Pf...

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