Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Haftungsprivilegierung des Schädigers gem. § 104 Abs. 1, § 105 SGB VII.

2. Die aufgrund eines Einsatzalarms durchgeführte Fahrt des Mitglieds einer freiwilligen Feuerwehr im Privatwagen zum Feuerwehrgerätehaus zwecks dortigen Umstiegs in den Feuerwehrwagen zur Weiterfahrt an den Einsatzort ist eine betriebliche Tätigkeit i.S.d. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII.

3. § 104 Abs. 3 SGB VII ist auch bei kongruenten Leistungen anderer Leistungsträger als des gesetzlichen Unfallversicherers oder eines Sozialversicherungsträgers (z.B. der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung) anwendbar. Insbesondere sind von der Vorschrift Leistungen der soldatischen Heilfürsorge erfasst, die vom Dienstherrn aufgrund eines Unfalls gewährt werden, den der Soldat während einer gesetzlich unfallversicherten Tätigkeit erlitten hat.

 

Normenkette

SGB VII § 105 Abs. 1, § 104 Abs. 3, § 2 Abs. 1 Nr. 12

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 23.04.2009; Aktenzeichen 8 O 393/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.4.2009 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin mehr als 7.047,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.10.2006 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 68 % und die Beklagte 32 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus übergegangenem Recht Erstattung von ihr gezahlter Kosten der ambulanten und stationären Heilbehandlung ihres Soldaten M. S. sowie für diesem während der Dauer seiner Dienstunfähigkeit gezahlter Dienstbezüge i.H.v. insgesamt 21.886,65 EUR. Zugrunde liegen

erhebliche Kopfverletzungen, die sich der Bundeswehrangehörige S. bei einem Verkehrsunfall am Abend des 9.10.2004 in H. zugezogen hat. Die Parteien streiten darüber, ob die Kopfverletzungen beim Betrieb eines vom Zeugen P. O. gesteuerten und bei der Beklagten haftpflichtversicherten VW-Busses entstanden sind, und ob - sofern dies zu bejahen sein sollte - die Haftung der Beklagten gem. § 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen ist, weil sich sowohl der Fahrer des VW-Busses als auch der Geschädigte S. gemeinsam auf einer Fahrt zu einem Einsatz der freiwilligen Feuerwehr befanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das LG hatte zunächst mit Beschluss vom 8.1.2008 (Bl. 124 d.A.) den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichts zur Frage des Eingreifens einer Haftungsprivilegierung ausgesetzt und zugleich zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens eine Frist von drei Monaten gesetzt. Nach deren fruchtlosem Ablauf hat es das Verfahren fortgesetzt und aufgrund Beschlusses vom 4.12.2008 (Bl. 203 ff. d.A.) Beweis durch Vernehmung von acht Zeugen zu der klägerischen Behauptung erhoben, der Geschädigte S. sei nach dem Auslösen des Feueralarms zunächst aus dem VW-Bus wieder ausgestiegen, habe dann aber erneut auf dem Notsitz neben der rechtsseitigen Schiebetür Platz genommen und sei aus dieser Tür auf die Fahrbahn gestürzt, als der Zeuge P. O. mit offener Tür losgefahren und scharf links abgebogen sei.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.3.2009 (Bl. 252 d.A.) verwiesen.

Mit dem am 23.4.2009 verkündeten Urteil, auf das der Senat auch im Übrigen zur weiteren Sachdarstellung Bezug nimmt, hat das LG der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass der Geschädigte S. sich seine Kopfverletzungen beim Betrieb des bei der Beklagten haftpflichtversicherten VW-Busses zugezogen habe. Denn er habe nach seiner eigenen glaubhaften Bekundung und der ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen B1 beim Anfahren des VW-Busses im Fahrzeug gesessen und sei während der Fahrt durch die geöffnete Schiebetür auf die Straße gefallen.

Das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII greife nicht ein. Denn der Unfall des Geschädigten S. stelle keinen Versicherungsfall i.S.d. § 105 Abs. 1 SGB VII dar. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Geschädigte S. in den VW-Bus wieder eingestiegen sei, ohne gewillt gewesen zu sein, selbst an dem anstehenden Feuerwehreinsatz teilzunehmen. Damit fehle es an einem Arbeitsunfall bzw. an einem im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit stehenden Wegeunfall für den Geschädigten. Da sich der Geschädigte nur bei Gelegenheit der Fahrt anderer Fahrzeuginsassen zu einem Feuerwehreinsatz in einem Privatfahrzeug befunden habe, habe die Mitfahrt für den Geschädigten keinen dienstlichen Charakter gehabt; vielmehr habe die Eigenschaft des Beförderten als Verkehrsteilnehmer hier erkennbar im Vordergrund ge...

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