Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Abgrenzung zur rechtlichen Betreuung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu Inhalt und Umfang der Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten iS von § 55 Abs 2 Nr 6 SGB 9.

2. Die Leistungen des betreuten Wohnens müssen wohnungsbezogen sein und final auf die Selbstständigkeit "beim Wohnen" und im Wohnumfeld ausgerichtet sein.

3. Zur Frage der Abgrenzung der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896ff BGB und der Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben als Teil der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB 12 iVm § 55 SGB 9.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für Leistungen, die die Beigeladene gegenüber dem Kläger im Zeitraum vom 22.04.2010 bis zum 31.03.2012 erbracht hat.

1. Die Beigeladene ist Diplom-Sozialpädagogin. Sie bot ursprünglich unter der Firma Ambulant Betreutes Wohnen - AmBeWo - V I (heute: V I - Praxis für Betreutes Wohnen, Suchthilfe und Systematische Therapie) Betreuungsleistungen an und beschäftigt insoweit mehrere Mitarbeiter, u.a. Sozialpädagogen.

Sie schloss am 03.07.2006 mit Wirkung zum 01.07.2006 mit dem Beklagten eine "Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für den Leistungsbereich Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung" (im Folgenden: Leistungs- und Prüfungsvereinbarung) ab. Diese Vereinbarung sollte ausdrücklich die Bestimmungen des ambulanten Rahmenvertrages NRW nach § 79 SGB XII insbesondere im Hinblick auf den Leistungstyp (LT) I "Betreutes Wohnen" konkretisieren. Nach § 1 Abs. 1 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung leistet die Beigeladene ambulante Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen (Ambulant Betreutes Wohnen) für dauerhaft wesentlich behinderte Menschen im Rahmen der §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX. Es handele sich um ein gemeindeintegriertes Hilfeangebot, das der betreuten Person ein selbst bestimmtes Leben in einer Wohnung in der Gemeinde ermögliche. Das Ambulant Betreute Wohnen sei zu verstehen als ein am Bedarf der betreuten Person orientiertes und verbindlich vereinbartes Betreuungsangebot, das sich auf ein breites Spektrum an Hilfestellungen im Bereich Wohnen beziehe und der sozialen Integration diene. In den folgenden Absätzen des § 1 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung werden Ziele und Inhalte der Leistungen näher beschrieben. Nach § 2 Abs. 2 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung richtet sich das Angebot des Leistungserbringers an den speziellen/eingegrenzten Personenkreis der Menschen mit psychischer Behinderung im Einzugsgebiet der Stadt L. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Leistungs- und Prüfungsvereinbarung Bezug genommen (Bl. 183 ff. GA). Erst durch ergänzende Vereinbarung vom 13.12.2013 wurde der Personenkreis auf Menschen mit einer chronischen Sucherkrankung erweitert. Insoweit wird auf die zu den Akten gereichte Ergänzungsvereinbarung Bezug genommen (Bl. 229 GA)

Darüber hinaus schloss die Beigeladene zeitgleich mit der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung eine Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten ab. Nach der vom 01.04.2010 bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung der Vergütungsvereinbarung vom 24.02.2010 sollte die Vergütung durch einen Stundensatz in Höhe von 50,40 Euro pro Fachleistungsstunde erfolgen (§ 1 Satz 1 der Vergütungsvereinbarung). Die Fachleistungsstunde setzt sich nach § 1 Satz 2 der Vergütungsvereinbarung aus 50 Minuten direkter Betreuungsleistung und 10 Minuten mittelbarer, klientenbezogener Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 4 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung zusammen. Bei den zuletzt genannten mittelbaren, klientenbezogenen Tätigkeiten handelt es sich um Tätigkeiten ohne direkten Kontakt zur betreuten Person. Mit dem Stundensatz sollten alle direkten, mittelbaren und indirekten Leistungen abgegolten sein (§ 1 Satz 3 der Vergütungsvereinbarung). Nach § 2 Abs. 6 der Vergütungsvereinbarung erfolgt die Vergütung der Leistung aufgrund gegenüber den Klienten erlassener Bewilligungsbescheide durch monatliche Abschlagszahlungen auf Basis der Anzahl der bewilligten Fachleistungsstunden. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes erfolgt eine Verrechnung der Abschlagszahlungen mit den quittierten Fachleistungsstunden.

Mit anderen Sozialleistungs- und Sozialhilfeträgern hat die Beigeladene keine Vereinbarungen getroffen.

2. Der im Februar 1939 geborene Kläger ist Metzgermeister und war zuletzt bis 2005 als Betreiber eines Imbisswagens selbstständig tätig. Er ist seit 1964 mit seiner 1940 geborenen Ehefrau, einer gebürtigen Spanierin, verheiratet. Anfang 2010 bezogen die Eheleute Altersrenten in Höhe von 513,82 Euro und 476,39 Euro netto. Seit 1995 wohnten die Eheleute in einer 122 m² großen W...

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