Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Entwicklungshelfer. Elterngeldbemessung. kein fiktives Bemessungsentgelt analog § 13 Abs 2 EhfG. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Schutz der Familie

 

Orientierungssatz

1. Für die Elterngeldbemessung bei vorhergehender Entwicklungshelfertätigkeit kommt der Ansatz eines fiktiven Bemessungsentgelts in analoger Anwendung von § 13 Abs 2 EhfG iVm § 152 SGB 3 nicht in Betracht, da insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliegt.

2. Der Gesetzgeber war nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, Entwicklungshelfer nicht nur bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes, sondern auch bei der Höhe des Elterngeldes mit einem fiktiven Einkommen zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.03.2022; Aktenzeichen B 10 EG 1/20 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Widerspruchsverfahren zu 21 Prozent und im Klageverfahren zu 3 Prozent.

Im Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld aufgrund ihrer Tätigkeit als Entwicklungshelferin.

Die 1980 geborene Klägerin besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und ist Mutter des am 28. April 2016 geborenen Kindes G ... Sie lebte mit dem Vater des Kindes vom 28. April 2016 bis zum 27. April 2017 in einem Haushalt. Ein weiteres Kind gab es vor und während des Elterngeldbezugszeitraums im Haushalt der Familie nicht.

Die Klägerin stand nach der Bescheinigung der D. in der Zeit vom 31. August 2013 bis zum 29. Februar 2016 als Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes (EhfG) unter Vertrag. Es seien während der Vertragszeit nur Leistungen nach dem EhfG und den Auflagen der Bundesregierung vom 1. Januar 2012/1. Januar 1995 gewährt worden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 14. März 2016 ab dem 12. März 2016 aufgehoben, da ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld bestehe. Die Krankenkasse gewährte Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 12. März 2016 bis 23. Juni 2016 in Höhe von kalendertäglich 42,95 Euro.

Am 29. Juni 2016 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter vom 28. April 2016 bis 27. April 2017. Sie gab an, sie werde im Bezugszeitraum keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und keine Einkünfte haben. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 4. August 2016 Basiselterngeld vom 28. April 2016 bis zum 27. April 2017 in Höhe des Mindestbetrages von 300 Euro unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und reichte die Unterhaltsgeldabrechnungen aus ihrer Entwicklungshelfertätigkeit ein, machte jedoch zugleich geltend, dass das Einkommen in Analogie zu § 13 EhfG i.V.m. § 152 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auf der Basis einer fiktiven Berechnung zu ermitteln sei, nämlich in Höhe von 1/300 der Bezugsgröße. Sie habe ein Diplom in Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft B. sowie den Grad des Masters of Science Integriertes Wasserressourcen Management über ein Studium an der Fachhochschule K. und der J. University erlangt. Die vorgelegten Unterhaltsgeldabrechnungen wiesen ein monatliches steuerpflichtiges Unterhaltsgeld in Höhe von zunächst 792,48 Euro aus, von April 2015 bis September 2015 sodann in Höhe von 804,92 Euro, im Oktober 2015 in Höhe von 954,72 Euro und ab November 2015 schließlich in Höhe von 990,68 Euro. Im Februar erhielt die Klägerin zudem eine steuerpflichtige Rückgepäckpauschale in Höhe von 1.135,15 Euro.

Mit Bescheid vom 5. Mai 2017 erließ die Beklagte einen Abhilfebescheid, wonach nunmehr Elterngeld für den ersten Lebensmonat in Höhe von 0 Euro, für den zweiten Lebensmonat in Höhe von 74,08 Euro und für den dritten bis 12. Lebensmonat in Höhe von jeweils 574,27 Euro bewilligt wurde. Bei der Berechnung legte die Beklagte nunmehr das sich aus den Unterhaltsgeldabrechnungen als steuerpflichtig ausgewiesene Einkommen zugrunde.

Nach der Klarstellung der Klägerin, dass weiterhin die Elterngeldberechnung auf der Grundlage eines fiktiven Einkommens begehrt werde, wies die Beklagte den Widerspruch mit am 7. Juni 2017 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2017 als unbegründet zurück. Die Beklagte trage 20 Prozent der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Klägerin. Für eine entsprechende Anwendung des § 13 EhfG i.V.m. § 152 SGB III gebe es im Gesetz keine Stütze. Es fehle an einer Regelungslücke. Eine entsprechende Anwendung sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Dem Gesetzgeber komme bei der Ausgestaltung der Modalitäten des Elterngeldes als Leistung der Familienförderung ein weiter Gestaltungsspielraum zu (unter Hinweis auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11). Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass durch die Ausgestaltung des Elterngeldes als...

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