Entscheidungsstichwort (Thema)

Landesverband der Krankenkassen. Kompetenzübertragung. Abschluss von Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung. Verpflichtung der Krankenkassen zur Zahlung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung. Ausgangsbetrag zur Ermittlung der Gesamtvergütung. Nichtigkeit von gesamtvertraglicher normativer Regelungen nur bei qualifizierten Rechtsverstößen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine bereichsfremde Betriebskrankenkasse ist an die Vergütungsvereinbarungen der jeweiligen BKK-Landesverbände gebunden; sie hat die darin mantelvertraglich vereinbarten Zusatzvergütungen (hier für psychotherapeutische Leistungen) auch dann als Gesamtvergütung (nochmals) zu bezahlen, wenn diese Leistungen bereits im Ausgangsbetrag nach Art 2 § 1 Abs 1 WOPG (juris: ArztWohnortG) enthalten sind.

 

Orientierungssatz

Die Nichtigkeit von Vergütungsvereinbarungen wird zur Gewährleistung des besonderen Bestandsschutzes öffentlich-rechtlicher Verträge auch in ihren obligatorischen und nicht nur in ihren normativ Dritte bindenden Teilen nicht durch jeden Verstoß gegen Rechtsvorschriften ausgelöst. Nur qualifizierte Rechtverstöße in vertragsärztlichen Normverträgen führen zur Nichtigkeit des Vertrages (vgl BSG vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R = SozR 4-2500 § 83 Nr 2).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.11.2008; Aktenzeichen B 6 KA 55/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 294.183,98 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KV) Anspruch gegen die beklagte Betriebskrankenkasse auf höhere Gesamtvergütung für die Quartale 1/02 bis 3/03 hat.

Die beklagte Betriebskrankenkasse mit Sitz in Norddeutschland hat bis Ende 2001 ihre Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein entrichtet. Soweit ihre Mitglieder im Bezirk der Klägerin behandelt wurden, erfolgte die Bezahlung für die erbrachten ärztlichen Leistungen im Wege des Fremdkassenzahlungsausgleichs.

Mit dem zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte (BGBl. I S. 3526) (WOPG) wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drucksache 14/5960) die Probleme lösen, die sich aus dem volumenmäßig ständig ansteigenden Fremdkassenzahlungsausgleich als Folge der Öffnung der Primärkassen (Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen) für bei anderen Krankenkassen bisher gesetzlich Krankenversicherten ergaben. Nach Meinung des Gesetzgebers hatte das bisherige Verfahren nicht zu einer leistungsgerechten Verteilung der Honorare auf die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen geführt und die Vertragsgestaltungsmöglichkeiten zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen erheblich behindert. Der Gesetzgeber schrieb deshalb verbindlich die Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen vor. Er traf dabei in Art. 2 § 1 WOPG folgende Übergangsregelung:

Der Ausgangsbetrag für die für das Jahr 2002 erstmalig nach dem Wohnortprinzip gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu vereinbarenden Gesamtvergütungen ergibt sich jeweils durch Multiplikation folgender Faktoren

1. des Betrags, der sich bei einer Teilung der für das Jahr 2001 geltenden Gesamtvergütung durch die Zahl der Mitglieder der Krankenkasse ergibt,

2. der Zahl der Mitglieder der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der vertragschließenden Kassenärztlichen Vereinigung.

Die Zahl der Mitglieder der Krankenkasse ist nach dem Vordruck KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Juli 2001 zu bestimmen.

Zur Umsetzung dieser Übergangsvorschrift trafen der Bundesverband der Betriebskrankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Vereinbarung zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips, das als Anlage 14 zum Bundesmantelvertrag - Ärzte genommen wurde (vgl. Bl. 34- 40 LSG-Akte).

Durch das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) hatte der Gesetzgeber zuvor mit Wirkung vom 01.01.1999 die Psychologischen Psychotherapeuten in das System der vertragsärztlichen Versorgung integriert. Ihre Vergütung erfolgte im Folgenden im Rahmen der vertragsärztlichen Gesamtvergütung auf der Basis des “Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM)„. Um die dadurch entstandenen Kosten zu begrenzen, schrieb Art 11 PsychThG vor, dass das für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen höchstens zur Verfügung stehende Ausgabenvolumen die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in den vorhergehenden Jahren nicht übersteigen dürfe. Für den Fall, dass trotz dieser eindeutigen Begrenzung des Ausgabenvolumens der Punktwert für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen den geltenden durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der beteiligten Krankenkassen um mehr als 10% unterschreitet, hatten die Vertragspartner nach Art. 11 Abs. 2 PsychT...

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