Entscheidungsstichwort (Thema)

Zutrittsrecht zum Betrieb zur Ausübung von Betriebsratstätigkeit § 78 BetrVG. Betriebsratsmitglied. Zutrittsrecht zum Betrieb. Ungestörte Amtsausübung. Hausverbot. Betriebsratstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch während eines Verfahrens auf Ausschluss eines Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG und eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG besteht das Arbeitsverhältnis und das Betriebsratsamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung fort und das Betriebsratsmitglied hat deshalb weiterhin grundsätzlich einen Anspruch auf ungestörte Amtsausübung und damit auf Zutritt zum Betrieb; daran ändert auch ein Hausverbot durch den Arbeitgeber nichts.

2. Betriebsratstätigkeit ist eine auf den Betrieb bezogene Tätigkeit und findet somit grundsätzlich im Betrieb statt. Soweit Betriebsratsarbeit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben erforderlich ist, hat ein Betriebsratsmitglied nicht nur Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung seiner Vergütung, sondern auch auf Zutritt zum Betrieb.

3. Das Zutrittsrecht zum Betrieb kann auch durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Der Verfügungsgrund liegt vor, wenn der Antragsteller zur Vermeidung eines zumindest temporären Rechtsverlustes auf die einstweilige Verfügung angewiesen ist und die Interessen des Antragstellers eindeutig überwiegen; hierbei ist in erster Linie die objektive materielle Rechtslage zu berücksichtigen, also der zu erwartende Ausgang des Hauptsacheverfahrens.

4. Bei der Prüfung der so genannten Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist Vorsicht geboten. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. Aus dem Zuwarten über eine längere Zeit sowie aus den konkreten Umständen muss sich ergeben, dass tatsächlich die Dringlichkeit fehlt.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 1, § 37 Abs. 2, §§ 78, 103 Abs. 2; ZPO § 888 Abs. 2, § 890

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Beschluss vom 02.08.2005; Aktenzeichen 6a BVGa 23/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird derBeschluss desArbeitsgerichts Augsburg vom02.08.2005 – 6a BVGa 23/05 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert:

  1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, dem Antragsteller abweichend von im Schreiben vom 07.04.2005 ausgesprochenen Hausverbot montags von 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr sowie für weitere erforderliche Betriebsratstätigkeiten, die nicht im zeitlichen Rahmen montags von 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr erledigt werden können, Zutritt zum Betrieb zu gewähren.

    Hält der Antragsteller außerhalb der Zeit montags 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr eine Betriebsratstätigkeit und damit seinen Zutritt oder sein Verbleiben im Betrieb für erforderlich, so hat er dies dem Antragsgegner vorher mitzuteilen und den Grund hierfür summarisch anzugeben.

  2. Dem Antragsgegner wird ferner aufgegeben, zu dulden, dass vom Antragsteller erforderliche Betriebsbegehungen ohne vom Antragsgegner bereitgestellte Begleitpersonen durchgeführt werden.
  3. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller (Beteiligter zu 1.) ist der beim Antragsgegner (Beteiligter zu 2.) im Betrieb L. gewählte Betriebsrat, der nur aus einer Person (Betriebsobmann) besteht; dieser Betriebsobmann ist Herr M.. Zwischen den Beteiligten bestehen erhebliche Differenzen und es sind bereits eine Reihe von arbeitsgerichtlichen Verfahren geführt worden.

Am 24.01.2000 wurde zwischen den Beteiligten folgende Vereinbarung getroffen:

  1. Die Sprechstunde des Betriebsrates wird für Montag von 8 – 12 Uhr festgelegt.
  2. In dieser Zeit kann der Betriebsrat die anfallenden Arbeiten, die mit seiner Betriebsratstätigkeit in Verbindung stehen, erledigen.
  3. Für alle Mitarbeiter besteht die Möglichkeit, zu dieser Zeit Probleme und Anregungen mit dem Betriebsrat zu besprechen.
  4. Bei Abwesenheit des Betriebsrates übernimmt der stellvert. Betriebsrat alle Verpflichtungen des Betriebsrates.

Am 06.05.2003 haben die Beteiligten im Verfahren 5 BV 24/02 vor dem Arbeitsgericht Augsburg folgenden Vergleich geschlossen:

  1. Die Betriebsparteien setzen die Vereinbarung vom 24.01.2000 ab sofort wieder in Kraft mit folgender Maßgabe zu Ziffer 1:

    Die Sprechstunde des Betriebsrates verbunden mit einer Freistellung des Klägers für Betriebsratstätigkeiten wird festgelegt auf Montag 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr einschließlich einer halbstündigen Mittagspause.

    Folgende Ziffer 5 wird beigefügt:

    Sollten darüber hinaus Betriebsratstätigkeiten anfallen, die nicht im zeitlichen Rahmen der Ziffer 1 erledigt werden können, wird der Betriebsrat zu dessen Erledigung in erforderlichem Umfang im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen von der Arbeitspflicht freigestellt.

  2. Damit ist das vorliegende Beschlussverfahren erledigt.

Der Beteiligte zu 2. hat am 22.03.2005 beim Arbeitsgericht Augsburg einen Antrag auf Ersetzung zur Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn M. gestellt (Az.: 9 BV 18/05), ü...

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