Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitvereinbarung. geschlechtsspezifische Benachteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung einer unbefristeten Teilzeitbeschäftigung in Abänderung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses kann eine geschlechtsspezifische Benachteiligung darstellen, die nach § 611 a Abs. 1 BGB a. F. unwirksam ist mit der Rechtsfolge, dass das Vollzeitarbeitsverhältnis fortbesteht.

 

Normenkette

BGB a.F. §§ 134, 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen 6 Ca 2145/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.11.2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 6 Ca 2145/10 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht, in dem die Klägerin als Justizbeschäftigte gemäß Vergütungsgruppe V c BAT / nunmehr TV-L Entgeltgruppe 8 beim Amtsgericht S. einzusetzen ist.
  2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitszeit ihres Arbeitsverhältnisses und eine Verpflichtung des beklagten Landes, die Differenz zwischen der Halb- und Vollzeitvergütung an die Klägerin seit dem 01.01.2010 zu zahlen.

Die Klägerin wurde mit Arbeitsvertrag vom 26.09.1979 (Kopie Bl.10 d. A.) beim Amtsgericht S. auf unbestimmte Zeit als Angestellte im Schreibdienst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eingestellt. Seit dem 01.01.1984 erfolgte eine Beschäftigung als Geschäftsstellenverwalterin in Vergütungsgruppe VII BAT. Am 20.07.1988 gebar die Klägerin ihr erstes Kind. Mit Änderungsvertrag vom 22.09.1988 wurde sie in Vergütungsgruppe VI b BAT höhergruppiert. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin wegen der Geburt ihres Sohnes bis zum 19.07.1989 beurlaubt.

Noch während dieser Beurlaubung und einer erneuten Schwangerschaft unterzeichnete die Klägerin am 19.06.1989 einen Änderungsvertrag (Kopie Bl. 11 f. d. A.), in dem eine Weiterbeschäftigung ab dem 09.08.1989 als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten „auf unbestimmte Zeit” vereinbart wurde. Bis zum Beginn des erneuten Mutterschutzes arbeitete die Klägerin dann einige Wochen in Teilzeit. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes am 12.11.1989 bis zum 31.10.2001 war sie ohne Bezüge beurlaubt. Während dieser Zeit half sie gelegentlich beim Amtsgericht S. aus. Nach ihrer Beurlaubung arbeitete die Klägerin mit der Hälfte der Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten.

Nachdem beide Kinder das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, bat die Klägerin wiederholt um eine Stundenaufstockung. Mit Schreiben vom 16.11.2009 an die Direktorin des Amtsgerichts S. (Kopie Bl. 54 f. d. A.) führte sie aus:

„Mit Arbeitsvertrag vom 26.09.1979 wurde ich als Vollzeitbeschäftigte in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei dem Amtsgericht S. übernommen.

Nach der Geburt meines Sohnes, der erneuten Schwangerschaft mit meiner Tochter und dem sich daran angeschlossenen Erziehungsurlaubes konnte ich diese Vollzeittätigkeit zunächst nicht mehr ausüben.

Im Juni 1989 wurde ich von unserem damaligen Geschäftsleiter, Herrn S., zur Vertragsänderung zum Amtsgericht S. gebeten. Im Vertrauen darauf, dass dieser Vertrag nur eine vorübergehende Reduzierung meiner Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zur Folge haben würde, habe ich diesen dann am 19.06.1989 unterschrieben. Wäre mir damals bekannt gewesen, dass die Unterzeichnung dieses Vertrages den Verlust meiner Vollzeitstelle zur Folge hat, hätte ich diesen Vertrag nicht unterzeichnet.

Sowohl mir als auch meinem Arbeitgeber war zum damaligen Zeitpunkt nicht klar, dass die Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrages zum endgültigen Verlust meiner Vollzeitstelle führen würde. Damals war es noch möglich, sobald die familiäre Situation es wieder zuließ, die Arbeitszeit durch Abschluss eines neuen Vertrages ohne weiteres wieder zu erhöhen.

Diese Sichtweise wird m.E. auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in späteren Verträgen nach SR 2 y BAT, die ich anlässlich von befristeten Urlaubsvertretungen unterzeichnet habe, als Grundlagenvertrag immer noch mein Vollzeitvertrag vom 26.09.1979 und nicht mein Teilzeitvertrag vom 19.06.1989 oben als Bezugsvertrag aufgeführt wurde.

Den zum 01.05.1994 in Kraft getretenen § 15 b BAT gab es bedauerlicherweise damals noch nicht. Aus meiner Sicht stellt dies eine Ungleichbehandlung dar.

Die Möglichkeit einer vertraglich befristeten Reduzierung der Arbeitszeit stand daher noch nicht im Raum. Anderenfalls hätte ich diese Möglichkeit gewählt, da ich meine Vollzeitstelle auf keinen Fall auf Dauer aufgeben wollte.

Aufgrund meiner veränderten familiären Situation – beide Kinder befinden sich im Studium – bin ich nunmehr auf die unbefristete Vollzeitstelle angewiesen.

Bis zum 31.12.2009 habe ich erstmals eine Aufstockung genehmigt bekommen und helfe seither bei der Zivilabteilung aus.

Ich bitte daher um P...

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