Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite von § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BGB. Verkürzung der Kündigungsfrist

 

Orientierungssatz

Soweit § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BGB eine Verkürzung der Kündigungsfrist durch einzelvertragliche Vereinbarung zulässt, bezieht sich dies nur auf die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Von den verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB darf nicht durch einzelvertragliche Vereinbarung abgewichen werden.

 

Normenkette

BGB § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Urteil vom 30.04.2009; Aktenzeichen 12 Ca 469/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30. April 2009 – 12 Ca 469/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 31. Oktober 2008 oder zum 30. November 2008 geendet hat.

Die Beklagte betreibt ein Transportunternehmen und beschäftigt in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten im Sinne von § 622 Abs. 5 Nr. 2 BGB. Der am XX.XX.19XX geborene, ledige Kläger war bei ihr als Lkw-Fahrer zu einer Bruttomonatsvergütung von ca. 1470,00 EUR beschäftigt.

Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Blatt 5 bis 9 der Akten verwiesen wird, enthält unter anderem folgende Regelungen:

§ 7 ordentliche Kündigung

1. Soweit die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorliegen, kann das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

§ 13 Hinweis auf Tarifverträge und sonstige Regelungen

Auf das Arbeitsverhältnis findet kein Tarif Anwendung. Betriebsvereinbarungen sind keine abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 (Blatt 33 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Oktober 2008. Nachdem der Kläger die Entgegennahme des Kündigungsschreibens am 1. Oktober 2008 verweigerte, übersandte die Beklagte dieses dem Kläger per Einschreiben, das er am 4. Oktober 2008 beim Postamt abholte.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der Kündigung erst zum 30. November 2008 geendet. Er hat behauptet, das Arbeitsverhältnis bestehe seit 1. Januar 2004.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 1. Oktober 2008 nicht zum 31. Oktober 2008 sondern erst zum 30. November 2008 aufgelöst worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen dem Kläger ordnungsgemäße Lohnabrechnung für den Monat November 2008 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei dem Kläger bereits am 1. Oktober 2008 und nicht erst am 4. Oktober 2008 zugegangen. Sie hat behauptet, das Arbeitsverhältnis habe am 1. Juni 2004 begonnen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es könne dahinstehen, ob dem Kläger die Kündigung am 1. oder am 4. Oktober 2008 zugegangen sei. Da das Arbeitsverhältnis zum Kündigungszeitpunkt länger als zwei Jahre aber noch keine fünf Jahre bestanden habe, sei es gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB nur mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende kündbar. Die in § 7 Nr. 1 Arbeitsvertrag enthaltene Verkürzung der Kündigungsfrist sei unwirksam. Das Arbeitsverhältnis habe länger als zwei Jahre bestanden; eine einzelvertragliche Vereinbarung über die Verkürzung der Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB sei unwirksam. Wegen der Begründung der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe (Blatt 74, 75 der Akten) verwiesen.

Gegen das ihr am 8. Mai 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit einem am 4. Juni 2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 6. Juli 2009 begründet. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB nicht verkürzt werden dürfe, treffe nicht zu. Richtig sei zwar, dass § 622 Abs. 5 BGB hinsichtlich der Verkürzung auf Abs. 1 verweise. Unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz würden damit die Arbeitsvertragsparteien von den in Abs. 4 genannten Verkürzungsmöglichkeiten durch Tarifvertrag ausgenommen. Die Regelung des § 622 Abs. 4 BGB zeige, dass auch die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB verkürzbar seien. Soweit in der Kommentarliteratur in Bezug auf § 622 Abs. 5 BGB zwischen Kündigungsfrist und Kündigungstermin unterschieden werde, finde dies im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Nachvollziehbar sei die gesetzliche Regelung nur, wenn die Verkürzungsmöglichkeit auch auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB Anwendung finde. Nur dies mache auch rechtspolitisch Sinn, da kleinen Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden solle, sich flexibler des Arbeitsmarktes in Zeiten der Hochkonjunktur aber auch der Krise bedienen zu können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30...

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