Entscheidungsstichwort (Thema)

Bagatellgrenze bei der Abfärbung von gewerblichen Beteiligungseinkünften. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IV R 18/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Abfärberegelung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG bei Einkünften aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kommt ohne Bagatellgrenze zur Anwendung (Anschluss an BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 30/16, BStBl. II 2020, 649).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt

 

Tatbestand

Streitig ist die zutreffende Einkunftsart.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie erzielt Einkünfte aus der Vermietung des Objekts I-Straße 40 in H, wobei es sich um ein Mehrfamilienhaus mit einem Ladenlokal handelt. Die Klägerin ist ferner seit dem 01.12.2003 mit 50.000 EUR (entspricht seit 2015 einer Quote von 4,24 %) an der Firma „X GmbH & Co. KG” beteiligt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, die für das Streitjahr 2017 vom Finanzamt T mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 06.04.2020 gesondert und einheitlich festgestellt worden sind.

Aufgrund der Beteiligung wurden die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung seit 2006 zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Steuerakten ist jedenfalls der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften für das Jahr 2016 bestandskräftig geworden.

Der Beklagte stellte mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auch für 2017 vom 14.08.2019 Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin in Höhe von insgesamt 28.767,87 EUR fest. Darin enthalten waren – neben den gewerblichen Beteiligungseinkünften – „umqualifizierte” Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 60.864,55 EUR, die die Klägerin selbst als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt hatte.

Mit Schreiben vom 11.09.2019 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid ein. Im Rahmen der Begründung wendete sie sich gegen die Feststellung der Einkunftsart „Gewerbebetrieb”. Richtig sei die Einkunftsart „Vermietung und Verpachtung”. Die vom Beklagten angewendete „Abfärbetheorie”, die zu einer Umqualifizierung der Einkünfte führe, sei hier nicht einschlägig. Es sei vielmehr eine Bagatellgrenze anzuwenden, die vorliegend nicht überschritten worden sei. Außerdem sei fraglich, ob überhaupt eine Gewinnerzielungsabsicht im Hinblick auf die Beteiligung bestanden habe, da sie – zumindest von 2012 bis 2015 – nur Verluste aus der Beteiligung realisiert habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die von der Klägerin angeführte Bagatellgrenze nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (BFH) bei der Abfärbung von gewerblichen Beteiligungseinkünften im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht zu berücksichtigen sei. Hiernach führe einkommensteuerrechtlich jede Beteiligung, aus der die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte beziehe, zu einer Umqualifizierung aller weiteren Einkünfte dieser Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb.

Am 03.01.2020 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung wendet sie sich gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Urteil vom 06.06.2019 (zum Az. IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649). Das Urteil sei fehlerhaft. Die mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG verbundenen Nachteile für die Gesellschaft bzw. ihre Gesellschafter stünden nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Ziel. So führten die vom BFH angeführten steuermindernden Rücklagen nach § 6b EStG und Investitionsaufträge nach § 7g EStG lediglich zu einer temporären Steuerentlastung. Die Umqualifizierung zu gewerblichen Einkünften würde aber definitiv zu einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen. Auch die vom BFH angeführten Vorteile in Gestalt von erbschafts- und schenkungssteuerlichen Freibeträgen und Bewertungsabschlägen müssten jedoch zunächst durch den „Flaschenhals” der Privilegierung und nicht als sogenanntes nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen qualifiziert werden. Außerdem stehe die Rechtsprechung des 4. Senates des BFH im Widerspruch zur Rechtsprechung des 8. Senats des BFH, der zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. EStG geurteilt habe. Hier hätte der Große Senat des BFH angerufen werden müssen.

Der BFH habe in seinem Urteil vom 06.06.2019 ausführlich dargelegt, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verfassungskonform dahin auszulegen sei, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG nicht als ein nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterlegender Gewerbebetrieb gelte. Insoweit sei die Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG einschränkend auszulegen. In den Fällen, in denen es nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG einkommensteuerrechtlich zu einer Abfärbung gewerblicher Beteiligungseinkünfte auf nicht gewerbliche Einkünfte komme, sei durch entsprech...

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