Rz. 71

Die Tarifvertragsparteien in der Bauwirtschaft haben von § 13 Abs. 2 BUrlG Gebrauch gemacht und im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmer eine umfassende Regelung des Urlaubs vorgenommen. Sie haben dabei durch die Errichtung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) – in Bayern die Gemeinnützige Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes e. V. (UKB), in Berlin die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SoKa Berlin) – sowie der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) jeweils sog. "gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien" gem. § 4 Abs. 2 TVG gebildet. Neben der Regelung der materiellen Urlaubsbedingungen im Bundesrahmentarifvertrag Bau (BRTV Bau) vom 28.9.2018 sind im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 28.9.2018 Vorschriften enthalten, die insbesondere das Meldeverfahren des Arbeitgebers gegenüber der ULAK betreffen.

3.2.1 Entstehen und Dauer des Urlaubsanspruchs

 

Rz. 72

Der Urlaub beträgt gem. § 8 Nr. 1.1 BRTV Bau 30 Arbeitstage im Kalenderjahr als Urlaubsjahr, wobei gem. § 8 Nr. 1.3 BRTV Bau Samstage nicht als Arbeitstage gelten. Für schwerbehinderte Menschen erhöht sich der Urlaubsanspruch um 5 Arbeitstage (§ 8 Nr. 1.2 BRTV Bau). Es handelt sich um eine inhaltsgleiche Regelung zu § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, sodass durch die tarifliche Regelung kein darüber hinausgehender Anspruch begründet wird.[1] Für je 12 Beschäftigungstage – 10,3 bei schwerbehinderten Menschen – entsteht gem. § 8 Nr. 2.2 BRTV Bau ein Anspruch auf 1 Tag Urlaub. § 8 Nr. 2.3 BRTV Bau regelt, welche Zeiten nicht als Beschäftigungstage gelten. Für den so ratierlich entstehenden Urlaubsanspruch gibt es keine Wartezeit. Allerdings wird der volle Urlaubsanspruch erst nach 12 Beschäftigungsmonaten erworben. Wechselt der Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb der Bauwirtschaft, nimmt er seine Urlaubsansprüche mit. Der Urlaubsanspruch entsteht auch in den Folgejahren immer nur im Umfang der zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Bestehen am Ende des Urlaubsjahres noch Resturlaubsansprüche, werden diese zunächst auf volle Tage auf- bzw. abgerundet und in das nächste Kalenderjahr übertragen (§ 8 Nr. 2.7 BRTV Bau).

[1] Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001, § 13 BUrlG, Rz. 122.

3.2.2 Urlaubsentgelt

 

Rz. 73

Das Urlaubsentgelt beträgt ab dem Jahr 2019 gem. § 8 Nr. 4.1 BRTV Bau 14,25 % – bei schwerbehinderten Menschen 16,63 % – des Bruttolohns und setzt sich zusammen aus Urlaubsentgelt i. H. v. 11,4 % des Bruttolohns – bei schwerbehinderten Menschen 13,3 % – und dem zusätzlichen Urlaubsgeld i. H. v. 25 % des Urlaubsentgelts. Hinzu kommen Regelungen, die z. B. für den Fall, dass ein Arbeitnehmer ohne Lohnanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber langzeitig erkrankt ist, eine Mindesturlaubsvergütung vorsehen (§ 8 Nr. 5.1 BRTV Bau). Das Urlaubsentgelt wird finanziert und abgerechnet über die ULAK. Die notwendigen Beiträge werden von den Arbeitgebern des Baugewerbes gem. § 18 VTV an die ZVK gezahlt, die als Einzugsstelle fungiert (§ 3 Abs. 3 VTV). Diese leitet die Beträge an die ULAK bzw. an die UKB und SoKa Berlin weiter.

 

Rz. 74

Das Urlaubsentgelt im Baugewerbe ist immer wieder Gegenstand unionsrechtlich geprägter Rechtsstreitigkeiten gewesen. So hat sich das BAG daran gehindert gesehen, die Frage, ob die gesetzlichen Öffnungsklauseln des § 13 Abs. 1 und 2 BUrlG und die tariflichen Regelungen der §§ 5, 6 der Urlaubsregelung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe in Bayern vom 21.11.1983 i. d. F. v. 19.5.2006 die Zielvorgabe eines "bezahlten Mindestjahresurlaubs von 4 Wochen" in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG umsetzen, dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen (BAG, Urteil v. 17.11.2009, 9 AZR 844/08[1]). Die tariflichen Regelungen berücksichtigen bei der Berechnung des Urlaubsentgelts Verdienstausfälle z. B. aufgrund von Saison-Kurzarbeit. Das BAG unterstellte zugunsten des Arbeitnehmers, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG während des Mindesturlaubs von 4 Wochen einen Anspruch auf Fortzahlung des gewöhnlichen Arbeitsentgelts ohne Minderung z. B. durch Kurzarbeit verbürgt.[2] Eine Auslegung oder Rechtsfortbildung der gesetzlichen Öffnungsklausel des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BUrlG und der anzuwendenden Tarifbestimmungen mit einem ebensolchen Verständnis sei jedoch wegen der eindeutigen Zielsetzung dieser Normen nicht möglich: Den Tarifvertragsparteien solle gem. § 13 Abs. 2 BUrlG ein weiterer Gestaltungsspielraum eingeräumt werden als § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 1 BUrlG ihn vorsehen. Dazu gehöre auch, dass die Tarifvertragsparteien zulasten der Arbeitnehmer von § 1 BUrlG abweichen und bei der Höhe des Urlaubsentgelts berücksichtigen, dass im Berechnungszeitraum Arbeit saisonbedingt ausgefallen und beim Verdienst des Arbeitnehmers Kürzungen eingetreten waren. Die Klage des Arbeitnehmers, der die Berechnung des Urlaubsentgelts ohne Berücksichtigung des saisonbedingten Arbeits- und damit Verdienstausfalls begehrte, wies das BAG deshalb ab.[3]

Der EuGH hat auf eine Vorlage des Arbeitsgerichts Verden (ArbG Verden, Beschluss v. 19.6.2017, 1 ...

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