Rz. 70

§ 13 Abs. 2 BUrlG erlaubt in bestimmten Wirtschaftszweigen über § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hinaus Abweichungen von den Bestimmungen des BUrlG durch Tarifvertrag. Dies hat zur Folge, dass hier nicht nur von den Bestimmungen der § 3 Abs. 2 bis § 12 BUrlG abgewichen werden darf. Denn ein Abweichen hiervon ist den Tarifvertragsparteien bereits in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gestattet. Vielmehr kann auch von den Grundnormen der §§ 13 Abs. 1 BUrlG abgewichen werden. Voraussetzung ist allerdings immer, dass dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs aller Arbeitnehmer erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil v. 15.1.2013, 9 AZR 465/11[1]). Dies ist in allen Wirtschaftsbereichen bzw. Gewerben nötig, in denen aufgrund häufigen Wechsels des Arbeitsverhältnisses auch innerhalb eines Kalenderjahres die Wartezeit des § 4 BUrlG nicht zurückgelegt wird und somit ein Anspruch auf den gesetzlichen Vollurlaub nicht entsteht. Ausdrücklich nennt § 13 Abs. 2 BUrlG dabei das Baugewerbe. Dazu gehören aber auch die dem Baugewerbe verwandten Wirtschaftszweige (z. B. das Maler- und Lackiererhandwerk, das Dachdeckerhandwerk und das Gerüstbauerhandwerk) sowie sonstige Wirtschaftszweige, z. B. die in der Wanderschaft ausgeübten Gewerbe (Musiker-, Zirkus-, Kabarett-, Varietégewerbe) oder die Land- und Forstwirtschaft.

 
Hinweis

Neben der Richtlinie 2003/88/EG war seit Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) zum 1.12.2009, fraglich, ob Art. 31 Abs. 2 der GRC einer nationalen Öffnungsklausel wie § 13 Abs. 2 BUrlG entgegensteht, sofern dadurch der unionsrechtliche Mindesturlaub berührt wird. Von Bedeutung ist diese Frage deshalb, weil es sich bei der GRC um europäisches Primärrecht handelt. Anders als die Richtlinie 2003/88/EG bedarf Primärrecht keiner Umsetzung in nationales Recht, um Verpflichtungen unter Privaten zu begründen (st. Rspr., vgl. EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-684/16[2]). Der EuGH hat nun angenommen, dass sich Arbeitnehmer gegenüber ihren – auch privaten – Arbeitgebern direkt auf Art. 31 Abs. 2 GRC berufen können. Soweit nationales Recht Art. 31 Abs. 2 GRC entgegensteht, ist dieses unangewendet zu lassen, sofern es nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann (EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-569/16, EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-570/16[3]). § 13 Abs. 2 BUrlG muss sich deshalb auch an Art. 31 Abs. 2 GRC messen lassen.

[1] ZTR 2013 S. 393.
[2] NZA 2018 S. 2803.
[3] NZA 2018 S. 1467 ff.; EuGH, Urteil v. 6.11.2018, 684/16, NZA 2018 S. 2803 ff.; s. auch Rz. 2 sowie Zimmermann, § 1 , Rz. 8 und Hinweis in Rz. 20.

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