Roomies und Zoomies: die zwei Zielgruppen hybrider Meetings

Verwackelte Gesichter auf dem Bildschirm einerseits und morgendliche Unruhe im Konferenzraum andererseits: Wie der Spagat zwischen Zugeschalteten und Anwesenden, den Zoomies und den Roomies, gelingen kann.

Eine der größten Herausforderungen hybrider Meetings ist, dass wir es in der Regel mit mindestens zwei Zielgruppen zu tun haben: mit den vor Ort Anwesenden – wir nennen sie Roomies – und den einzeln online Zugeschalteten – den Zoomies. Ein Hinweis an dieser Stelle: Wir hätten die online Zugeschalteten natürlich auch Teamies oder Skypies nennen können – je nach verwendeter Videokonferenz-Software –, fanden Zoomies jedoch am eingängigsten.

Bei hybriden Meetings alle Teilnehmenden ansprechen

Die große Kunst liegt darin, eine Brücke zu bauen und beide Zielgruppen so zu verbinden, dass ein möglichst nahtloses Meeting-Erlebnis für alle entsteht. Das ist das übergeordnete Ziel, das wir von der Planung bis zur Nachbereitung des hybriden Meetings vor Augen haben sollten. Gelingt uns das nicht, sitzen wir zwar in einem Meeting, bewegen uns aber in zwei Welten: in der Online- und der Offline-Welt. Wenn wir diese Voraussetzung hybrider Meetings nicht beachten, passiert in den meisten Fällen Folgendes: die physisch Anwesenden dominieren das Gespräch; als Folge schalten die Online-Teilnehmenden mental ab und wir "verlieren" sie.

Die Zoomies benötigen eine andere Aufmerksamkeit und Herangehensweise an die Inhalte als die Roomies. Beide Zielgruppen befinden sich in unterschiedlichen sozialen Kontexten, haben unterschiedliche Bedürfnisse und zeigen unterschiedliche Verhaltens-/Reaktionsweisen. Sie gemeinsam unter einen Hut zu bekommen, ist vergleichbar damit, Essig und Öl zu vereinen. Wenn Sie sie einfach zusammenschütten, wird das nicht funktionieren. Sie bekommen keine Einheit – keine Emulsion, weil die Charakteristika nicht zusammenpassen. Erst, wenn Sie weitere Zutaten dazugeben – bei Essig und Öl wäre das Sahne oder Senf –, können Sie eine Einheit erreichen.

Methoden- und Tool-Tipps für beide Zielgruppen

Auf hybride Meetings übertragen heißt das: Wenn wir die Zusammenhänge verstehen und bewusst antizipieren, können wir, durch Zugabe bestimmter Zutaten, wie z. B. Tools, Methoden, Herangehensweisen etc., beide Seiten miteinander verbinden und für Spaß und Erfolg bei allen Beteiligten sorgen. Denn das Verständnis über die jeweiligen Besonderheiten der beiden Gruppen bildet die Basis für ein gutes hybrides Miteinander.

Lassen Sie uns dafür jetzt beide Zielgruppen näher unter die Lupe nehmen.

Zielgruppe 1: die Roomies, das Wir-Kollektiv

Zunächst ist da die Gruppe vor Ort. Sie bildet eine Einheit, ein Kollektiv. Diese Menschen sehen einander und können soziale Hinweisreize und nonverbale Signale der anderen stärker wahrnehmen als die Zoomies. Kommt die Kollegin gestresst in den Konferenzraum gehetzt, tiefenentspannt angeschlendert oder fröhlich und energiegeladen hineingesprungen? All das können die Roomies physiologisch erfassen. So können sie sich psychologisch auf ihre Mitmenschen einstellen bzw. auf sie eingehen.

Auch der Gesprächsfluss untereinander ist wesentlich dynamischer: Die Teilnehmenden vor Ort nicken zustimmend, atmen ablehnend aus oder wippen unruhig mit dem Fuß? Dieses nonverbale soziale Feedback nehmen alle anderen im Raum unmittelbar wahr, wenn auch nur unterbewusst. Aber es macht etwas mit ihnen und der Atmosphäre im Raum. Zustimmung oder Ablehnung kann rein körpersprachlich erahnt werden. Die moderierende Person kann augenblicklich nachfragen:

"Matthias, du siehst sehr nachdenklich aus. Was ist deine Meinung dazu?"

"Lisa, es wirkt, als ob dir gerade viel durch den Kopf geht. Möchtest du etwas mit uns teilen?"

Offline befinden uns in einem sozialen Gruppenkontext, mit dem wir vertraut sind, weil Menschen schon seit Urzeiten in dieser oder ähnlicher Form zusammenkommen. Vor allem auf nonverbale Signale können wir uns seit unserer Geburt verlassen. Sie haben einen großen Anteil daran, dass Beziehungen und Vertrauen überhaupt erst entstehen können. Da kann es schon vorkommen, dass wir im Rausch der Gruppendynamik nicht mehr bemerken, wer sonst noch dem Gespräch beiwohnt. Und genau das darf in hybriden Meetings nicht passieren.

Zielgruppe 2: die Zoomies, Einzelkämpfer im Homeoffice

In einem hybriden Meeting sind neben den Roomies noch die online Zugeschalteten, die Zoomies. Sie bilden nur bedingt eine Gruppe. Streng genommen sind sie Einzelne, isoliert in ihrem Arbeitszimmer daheim (oder wo auch immer auf der Welt). Im Meetingraum sehen wir die digital Anwesenden nur in einer kleinen Kachel auf dem Bildschirm. Das birgt mehrere Herausforderungen. Eine davon möchten wir mit einer kleinen Metapher veranschaulichen:

Kennen Sie Berliner Pfannkuchen? Auch Berliner, Pfannkuchen oder Krapfen genannt? Sie sind ein frittiertes Gebäck aus süßem Hefeteig, das in der Mitte mit Marmelade gefüllt und mit Puderzucker oder Zuckerguss überzogen ist. In manchen Regionen in Deutschland ist es eine alte Karnevalssitte, ein paar solcher Pfannkuchen mit Senf zu füllen, um seinen Mitmenschen einen Streich zu spielen – und sich selbst in die spaßige Gefahr zu begeben, statt Marmelade Senf zu erwischen. Von außen sehen die runden Dickmacher alle gleich aus. Doch innen wartet die große Überraschung.

Wenn wir zu Beginn eines hybriden Meetings mit den Zoomies sprechen, ist es ein bisschen so, als würden wir in einen dieser Karnevalspfannkuchen hineinbeißen. Denn: Bei den Zoomies sehen wir nicht, mit welcher Füllung – mit welchem mentalen Rucksack – sie in das Meeting kommen. Wir können ihr nonverbales Verhalten weder sehen noch bewerten. Der Körper spricht, bevor der Mund zu reden beginnt. In diesem Satz steckt viel Wahrheit. Hinzu kommt: Der Körper spricht immer! Auch wenn der Mund nichts sagt. Diese Signale, die uns andere permanent senden, saugen wir unterbewusst wie ein Schwamm auf.

Doch im Remote-Meeting sehen wir im besten Fall nur den Kopf und maximal einen Teil des Oberkörpers unseres Gegenübers – mit abgeschnittenen Armen. Nervöses Wippen mit den Füßen, ein Kneten der Hände oder ein Hin- und Herrutschen auf dem Stuhl und weitere solcher sozialen Hinweisreize werden wir nicht wahrnehmen können. Im schlechtesten Fall sehen wir nur einen schwarzen Screen mit Namen. In beiden Fällen fehlt uns der 360°-Blick auf die Person. Mit einem Mal können wir nicht auf das zurückgreifen, was uns eine Einschätzung der Situation ermöglicht und ein Gefühl von Sicherheit gegeben hätte. Wir wissen nicht: Werde ich gleich böse angeraunzt und mit einer einsilbigen Antwort abserviert? Oder erwartet mich ein gemütlicher Plausch über persönliche Dinge zu Beginn? Senf oder Marmelade? Das ist hier die Frage. Und das müssen wir herausfinden und antizipieren, indem wir die Zoomies ganz anders abholen als die Roomies.

Zusätzliche Variante: Zwei geschlossene Gruppen digital verbunden

Bei einer weiteren Variante im hybriden Meeting sind Mitarbeitende von einem Standort, die zusammen in einem Meetingraum sind, mit Mitarbeitenden von einem anderen Standort, die zusammen in einem Meetingraum sind, per Videokonferenz verbunden. Wir finden hier zwei in sich geschlossene Gruppen vor. Die Gruppen bilden jede für sich gesehen eine Einheit.

Dieses Setting ist nicht vergleichbar damit, wenn alle zusammen in einem Raum sitzen. Denken Sie mal an Gruppeneinteilungen beim Sportunterricht. Selbst wenn Ihr bester Freund in der gegnerischen Mannschaft war, haben Sie sich mit den Leuten aus Ihrem Team stärker verbunden gefühlt und eine geschlossene Gemeinschaft gegenüber dem anderen Team gebildet. So ist das auch in dieser Variante hybrider Meetings.

Drei Konstellationen hybrider Meetings

Denken Sie deshalb jedes Meeting in Bezug auf das Setting neu. Reflektieren Sie die Ergebnisse und optimieren Sie – je nachdem, wie die Umsetzung funktioniert hat.

Bei der Zusammensetzung der Teilnehmenden hybrider Meetings beschreibt Microsoft drei häufige Konstellationen, die wir für Sie kurz analysieren möchten (vgl. Rintel et. al. 2021).

  • Hub & Satellit
    Die meisten Menschen sitzen gemeinsam im Meetingraum der Firma. Sie bilden den Hub. Ein paar wenige sind remote dazugeschaltet. Sie sind die Satelliten. In dieser Konstellation ist die Gruppe vor Ort dominant. Als Führungskraft sind Sie gefordert, ein Gleichgewicht zwischen beiden Seiten herzustellen. So zum Beispiel, indem Sie Rollen verteilen oder Co-Moderator:innen auswählen, die Sie dabei unterstützen, die Zoomies verstärkt einzubinden.
  • Hub & Speiche
    Die Mengenverteilung der Hub-Gruppe und der Remote-Einzelpersonen ist gleichmäßig. Die Zoomies umgeben den Hub – die Roomies – wie die Speichen eines Fahrrads. Der Hub bleibt das Machtzentrum, die Moderation wird komplexer. In solchen Konstellationen eignet es sich unter anderem, eine klare Sprechreihenfolge festzulegen.
  • Dumbbell (zwei Gruppen) & Constellation (mehrere Gruppen)
    Es gibt zwei Hubs. Eine Gruppe sitzt im Standort A und die andere im Standort B. Die Gefahr: Beide Gruppen vernachlässigen die jeweils andere. Es kann zur Spaltung kommen. Hier sollte diejenige Person als Hauptmoderatorin auftreten, die das Meeting initiiert hat, und gemeinsam mit der anderen Gruppe einen Moderator, eine Moderatorin aus deren Raum festlegen. Beide koordinieren den Input ihrer Gruppe vor Ort.

Buchtipp:

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Taschenguide " Hybride Meetings" von Andrea Heitmann und Anne Michel, das im August 2022 bei Haufe erschienen ist. Darin finden Sie unter anderem Tipps für die Organisation hybrider Meetings, zur Ausstattung von Meetingräumen und Homeoffice-Arbeitsplätzen sowie zu Tools und (Moderations-)Methoden, die sich besonders gut für hybride Meetings eignen. Sie können das Buch hier bestellen.


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Schlagworte zum Thema:  Virtuelle Zusammenarbeit, New Work, Teamarbeit