Praxisbeispiel Einführung einer People-Support-Plattform

Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner möchte mit einer digitalen Unterstützungs­plattform den Beschäftigten helfen, besser mit beruflichen, sozialen und gesundheitlichen Anliegen umzugehen. Denn das Unter­nehmen ist überzeugt, dass Mitarbeiterzufriedenheit auch eine Sache der Personalentwicklung ist. 

Die Coronapandemie hat Organisationen und Mitarbeitende mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Arbeitgebende sehen sich jetzt, aber vor allem auch in Zukunft, neuen Bedürfnissen und Belastungen ihrer Mitarbeitenden gegenüber. Arbeit findet vermehrt von zu Hause statt, die Kommunikation erfolgt zu großen Teilen online und die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen zunehmend. In der Folge steigt das Risiko für Teamkonflikte und psychische Belastungen. Arbeitgebende, die den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden nicht mit den passenden Unterstützungsangeboten gerecht werden, laufen Gefahr, zur Great Resignation beizutragen und wertvolle Mitarbeitende zu verlieren. 

Doch mit welchen konkreten Maßnahmen können sie den Herausforderungen ihrer Mitarbeitenden begegnen? Ein Beispiel findet sich im Vorgehen von Rödl & Partner. Die international agierende Prüfungs- und Beratungsgesellschaft mit Hauptsitz in Nürnberg ist mit mehr als 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 106 Standorten in 48 Ländern vertreten. Dem Unternehmen ist es wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein gesundes Arbeiten und einen fairen und respektvollen Umgang miteinander ermöglichen. Doch auch hier sind Herausforderungen zu meistern: "Klar sehen wir alle uns im Arbeitsalltag zum Teil herausfordernden Situationen gegenüber – beispielsweise bei Konflikten im Team oder mentalem Druck", fasst Anke Führlein, Leitung Personalentwicklung bei Rödl & Partner, die Situation zusammen. Die Pandemie, unter der aktuell ein Großteil der (Zusammen-)Arbeit digital stattfindet, habe die Bedingungen zusätzlich erschwert und die Komplexität der Anforderungen erhöht.

Also, erklärt Führlein, suchte das Unternehmen nach einem zeitgemäßen Unterstützungsangebot, mit dem das Wohlbefinden der Kolleginnen und Kollegen auf proaktive Weise gestärkt und Konflikten vorgebeugt werden sollte. Gleichzeitig sollte über das Programm auch das langfristige Ziel des "Kümmerns" als ein zentraler Teil der Unternehmenskultur unterstützt werden. Das Unternehmen möchte eine Kultur schaffen, in der alle Teammitglieder, zu der sowohl Mandanten wie auch die Beschäftigten gezählt werden, wertschätzend miteinander kommunizieren und aufeinander achten. "Interessant ist, dass sich die Erwartungen der Beschäftigten an die Arbeitsplatzkultur in den letzten Jahren deutlich verändert haben. Studien zeigen, dass ein Großteil der Beschäftigten einen offenen Umgang mit dem Thema mentale Gesundheit bei der Arbeit erwartet. Dabei reicht es heute nicht mehr aus, einfach nur Ansprechpersonen zu benennen oder ein Seelsorgetelefon einzurichten", erklärt Anke Führlein. 

Ein Unterstützungsprogramm wird gesucht – die Anforderungen 

Die Initiative zur Einführung einer People-Support-Plattform kam aus den drei Bereichen Personal, Personalentwicklung und Corporate Social Responsibility, die alle drei beim Vorsitzenden der Geschäftsleitung Christian Rödl liegen und eng zusammenarbeiten. "Interdisziplinäre, bereichsübergreifende Zusammenarbeit macht die DNA unseres Unternehmens aus – dies gilt insbesondere auch für die Einheiten Personal, Personalentwicklung und CSR", begründet Rödl diese Konstellation. 

Bei der Suche nach entsprechenden Unterstützungsangeboten war dem Unternehmen ein niedrigschwelliger Zugang wichtig. Alle Beschäftigten sollten jederzeit (auch anonym) Zugriff haben, das System nicht als App koexisitieren, sondern sinnvoll in die bestehende IT-Infrastruktur eingebettet werden. Darüber hinaus sollten auch bestehende interne Vertrauenspersonen per Telefon oder vertraulich per Chat eingebunden werden können. Im Unterschied zu anderen Unternehmen, die ihre Projekte für psychische oder körperliche Stabilität im Bereich des BGM verorten, wurde das Projekt bei Rödl & Partner nicht im Gesundheitsbereich, sondern in der Personalentwicklung verortet. Denn die Plattform soll nicht nur als Unterstützungsangebot bei akuten Anliegen dienen, sondern wird auch als Weiterbildungsmaßnahme betrachtet, mit der die Gesundheits- und Sozialkompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt werden. Die Wahl fiel schließlich auf die digitale Unterstützungsplattform des Berliner Unternehmens Evermood.

Die Evermood-Plattform ermöglicht es Mitarbeitenden, rund um die Uhr vom Smartphone oder Desktop auf alle vorhandenen Unterstützungsangebote zuzugreifen. Da jede Organisation über eine individuelle Plattform-Domain verfügt, ist der Zugang zum Intranet nicht notwendig, sodass beispielsweise auch Mitarbeitende im Außendienst auf das Angebot zugreifen können. 

Um eine ganzheitliche und typgerechte Unterstützung zu gewährleisten, umfasst das System sowohl eine digitale Mediathek mit themenbasierten Videos als auch alle internen und externen Ansprechpersonen. Diese können bei Bedarf telefonisch oder anonym per Chat für eine Beratung kontaktiert werden. Dort, wo Lücken im unternehmensinternen Beratungsangebot bestehen, können Experten und Expertinnen von Evermood hinzugezogen werden. Als zusätzliche Leistung bietet Evermood interaktive Live-Webinare, mit denen die Gesundheits- und Sozialkompetenzen der Mitarbeitenden gestärkt und der Austausch untereinander gefördert werden sollen. 

Personalverantwortliche erhalten ihrerseits einen persönlichen Dashboard-Zugang, über den sie die Angebote einfach verwalten und anhand der detaillierten Statistiken weiterführende Maßnahmen zur Mitarbeiterunterstützung ableiten können. 

Die Einführung – Schritt für Schritt 

Aufgrund der drängenden Situation durch die Pandemie mit allen Herausforderungen sollte die Plattform möglichst schnell eingeführt werden. So vergingen, obwohl die Einführung digitaler Tools in der Regel komplex und zeitaufwendig ist, vom Erstgespräch bis zur Einführung der Plattform nur wenige Monate. Als richtig und besonders positiv erwies sich dabei die Entscheidung, die IT- und die interne Rechtsabteilung sehr frühzeitig einzubinden, um rechtliche wie technische Schwierigkeiten oder Hindernisse rasch zu identifizieren. So konnten Widerstände von vorneherein erkannt und beseitigt und die notwendigen Entscheidungs- und Implementierungsprozesse schnell umgesetzt werden.

In Einbindung aller relevanten Abteilungen wurden gemeinsam mit dem Kooperationspartner Evermood die Leitplanken für die Umsetzung des Projekts festgelegt. Das modulare System wurde den Wünschen und vorhandenen Angeboten von Rödl & Partner angepasst. So wurde beispielsweise die Plattform um eigene Vertrauenspersonen und Beiträge ergänzt – etwa zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder um Weiterbildungsangebote für Führungskräfte. Insgesamt sind sieben Vertrauenspersonen, darunter auch interne Kolleginnen und die Betriebsärztin von Rödl & Partner, eingebunden, die über ein umfangreiches Rollen-Rechte-System für bestimmte Themenbereiche von den Beschäftigten anonym per Chat oder persönlich kontaktiert werden können. Entsprechend der Überzeugung, dass der Aufbau von Gesundheits- und Sozialkompetenz zur Personalentwicklung gehört, bietet die Mediathek der Plattform auch kurze Lernvideos, beispielsweise zur Reflexion über das eigene Stressempfinden oder Konfliktverhalten, die die Beschäftigten bei der eigenständigen Problemlösung unterstützen. 

Kommunikationskampagne wirkt 

Nachdem das Angebot an verschiedenen Stellen wie im Intranet oder dem HR-Management-Tool eingebunden worden war, wurden die Beschäftigten per E-Mail und im Intranet über die neue digitale Unterstützungsplattform informiert. In einer persönlichen Videobotschaft stellte auch die interne Vertrauensstelle die Mitarbeiterplattform und die individuellen Möglichkeiten von Stressmanagement, Führungskräfteberatung, Burn-out- oder Depressionsprävention, Konfliktberatung oder Unterstützung bei privaten beziehungsweise familiären Anliegen vor. "Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen erhalten – sowohl auf persönlichem Wege als auch per Telefon und per E-Mail", freut sich Personalentwicklerin Führlein. Nicht nur in den ersten Monaten seien die Inhalte der Plattform sehr oft aufgerufen worden. Insbesondere in den vergangenen Wochen, in denen auch Rödl & Partner wieder verstärkt zum mobilen Arbeiten zurückgekehrt ist, haben die Artikelaufrufe zugenommen. 

Auswertung und Nutzen 

Das Unternehmen erhält rund um die Uhr Zugriff auf ein Dashboard, über das die Nutzung – entsprechend den datenschutzrechtlichen Bestimmungen anonymisiert – ausgewertet wird. Darin sehen die Projektverantwortlichen unter anderem auch, welche Themen und Videos am häufigsten angesehen werden. Auf dieser Basis können sie Bedarfe erkennen und Maßnahmen ableiten. Auf sehr großes Interesse innerhalb der Belegschaft stießen beispielsweise die Videos zum Thema gesunde Pause. Als Antwort auf das Interesse hat Rödl & Partner im Rahmen der Aktionswoche "Nachhaltigkeit" mit Evermood ein Live-Webinar zum Thema aktive Pausengestaltung umgesetzt. 

Wie geht es weiter? Führlein würde die Erfahrungen mit dem Projekt gerne in die Breite tragen: "Wir sind gerade vor dem Punkt, an dem wir unser BGM weiter institutionalisieren wollen und Netzwerkeffekte wie beispielsweise durch solche Plattformerfahrungen gerne für Austauschformate nutzen würden."

Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 3/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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