Kolumne Praxisschock

Fünf Lektionen in Sachen Führung


Fünf Lektionen für Führungskräfte

Warum sind Sie eine Führungskraft geworden? Wonach streben Sie? Nach Erfolg, Anerkennung, Bestätigung? Kolumnist Boris Grundl blickt zurück auf 25 Jahre Berufserfahrung und teilt fünf harte Lektionen, die jede Führungskraft lesen sollte.

In der Führung jagen wir oft Spitzenleistung nach, um ein inneres Loch zu füllen. Das brennt auf die Dauer aus. Menschen riechen, wenn es dir um Bestätigung geht. Das Paradoxe ist: Erst wenn du Anerkennung nicht mehr brauchst, kommt sie. Du tust es nicht mehr für das Loch in dir, sondern für etwas Übergeordnetes. Das ist die Wende: von ehrgeizig zu identifiziert.

Fünf Führungslektionen aus 25 Jahren Praxiserfahrung

Viele Führungspersönlichkeiten suchen Rettung im Außen: neue Strategie, neuer Berater, neues Tool. Doch die härtesten Lektionen treffen dich innen – in Haltung, Bewusstsein, Wahrheit. Hier ist, was Führung wirklich verändert, jenseits aller To-dos. Hier kommen die fünf härtesten Lektionen, die ich als Führungsexperte in der Branche nach 25 Jahren gelernt habe:

1. Niemand kommt, um dich zu retten

Ich habe lange gehofft: Der richtige Mitarbeitende, die kluge Beraterin, die neue Struktur – irgendetwas wird es richten. Das tat es nie. Die schmerzhafte Erkenntnis: Keiner kann tun, was ich tun sollte. Persönliche Entwicklung ist nicht delegierbar. Eine Szene aus einem Führungskreis: Ein CEO sagt, er fühle sich "allein, aber nicht einsam". Ich nicke. Allein verantwortlich heißt nicht, einsam als Mensch zu sein. Es heißt: Du hörst auf, Rettung zu erwarten – und beginnst, Richtung zu geben. Ab da wird der Ton ruhiger. Der Blick klarer. Die Organisation spürt es.

2. Du musst wissen, wer du bist

Wenn du nicht weißt, wer du bist, wehst du wie eine Fahne im Wind der Alltags-Emotionen. Die Tage sind voll, die Wochen laut – und plötzlich diktiert der Gewinn deine Identität. Als ich begann, mein "Wer bin ich?" aggressiv zu klären – nicht im Branding, sondern in innerer Sprache – veränderte sich mein Kalender. Ich sagte "Nein". Ich gab weniger nach. Klarheit in der Person erzeugt Orientierung im System. Mein Durchbruch mündete in einer Erkenntnis und einem Satz: Ich bin die Möglichkeit, anderen zu Wachstum, Kraft und Größe zu verhelfen.

3. Nimm nichts persönlich

Alles, was andere über dich sagen, hat einen wahren Kern. Genau dieser Kern triggert dein Zucken. In einem Gespräch sagte mir ein Leiter: "Du wirkst hart." Mein Reflex war Abwehr. Meine Wahrheit: Ich kann hart sein. Der Punkt ist, ob ich es sehe und führe. Wer Feedback persönlich nimmt, verteidigt. Wer es als Spiegel nimmt, wächst.

4. Erkenne deine wichtigste Verantwortung: Wahrnehmung und Deutung

Worauf richtest du den Blick? Wie interpretierst du, was du siehst – frustriert oder inspiriert? Ich habe gelernt: Wahrnehmung ist steigerbar wie ein Muskel. Fast meditativ. Du wirst gewahr, beobachtest, deutest bewusster. Ein Praxisfall: Zwei Führungskräfte, gleiche Faktenlage. Der eine sagt: "Wir sind im Problem." Der andere: "Wir sind im Lernen." Drei Monate später ist der zweite weiter – nicht wegen Glück, sondern wegen Deutung. Führung beginnt im Kopf, nicht im Meeting.

5. Triff die Entscheidungen. Dann sind die Sorgen vorbei

Krisen und Sorgen sind nur aufgeschobene Entscheidungen. Du drehst Kreise, rechnest Varianten, suchst Gründe – und nennst es "Verantwortung". Dabei ist die Praxis des Entscheidens gar nicht so schwer:  bewusst wahrnehmen, abgleichen, entscheiden. Danach sinkt der Stress. Nicht, weil die Welt netter wurde, sondern weil die Spannung weicht. Ein CFO sagte mir: "Seit ich die Sache entschieden habe, statt nur zu hoffen, kann ich wieder schlafen." Entscheidung ist die Tür. Dahinter liegt Wirkung.

Was diese Lektionen auslösen?

  • Du hörst auf, Rettung zu erwarten – und beginnst zu führen. 
  • Du ordnest Identität vor Ergebnis – und dein Kalender folgt. 
  • Du nutzt Feedback als Spiegel – statt als Angriff. 
  • Du wechselst von Bestätigung zu Sinn – und Menschen vertrauen dir. 
  • Du trainierst Wahrnehmung – und interpretierst produktiv. 
  • Du trennst Erfüllung von Erfolg – und arbeitest klarer. 
  • Du entscheidest – und Sorgen werden still.

Eine Geschichte zum Schluss

Nach einem Vortrag kommt ein Vater, gleichzeitig Geschäftsführer, zu mir. "Ich funktioniere überall – nur zuhause nicht." Wir reden zehn Minuten. Er erkennt: Er meidet klare Entscheidungen, weil er geliebt werden will. Wir formulieren einen Satz für seine Kinder: "Ich liebe euch, und ich bin klar." Drei Wochen später schreibt er: "Wir streiten weniger. Wir reden mehr. Ich entscheide, ohne laut zu werden."

Das ist Entwicklung: kein äußeres Ritual, sondern innerer Umbau, der außen sichtbar wird. Vielleicht ist es Zeit, eine Entscheidung nicht länger zu vertagen. Nicht auf Rettung warten. Identität klären. Wahrnehmen und deuten. Entscheiden. Der Rest ergibt sich.


Über den Kolumnisten: Boris Grundl ist Führungskräftetrainer und gilt bei Managern und Managerinnen sowie Medien als "Der Menschenentwickler" (Süddeutsche Zeitung). Er ist Inhaber des Grundl Leadership Instituts, das Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Dafür erforscht, testet und lehrt das Institut hochwertige, praxisrelevante Unterscheidungen - als Voraussetzung für Wahrnehmung und Erkenntnis.