Agiles Lernen Definition

In agilen Organisationen verändern sich nicht nur die Art des Arbeitens, sondern auch die Prinzipien des Lernens. Was bedeutet "agiles Lernen" konkret? Hier erfahren Sie mehr über Definition, Grundlagen und Werte für das Lernen in agilen Umgebungen.

Agiles Lernen hat - analog zum agilen Arbeiten - den Kunden (also den Mitarbeiter) und die Auswirkungen auf das Unternehmen im Fokus. Auch wird Lernen im agilen Umfeld deutlich selbstgesteuerter und viel stärker in sozialen Netzwerken stattfinden.

Agiles Lernen: Definition

In unseren Diskussionen mit anderen Experten und Praktikern haben wir zwei unterschiedliche Auffassungen des Begriffs "agiles Lernen" gefunden. Die eine ("Lernen für Agil") bezieht sich auf die agile Umgebung und wie Lernen für und in agilen Organisationen stattfinden kann. Die andere ("agiles Lernen") bezieht sich auf den Paradigmenwechsel der Personalentwicklung, also wie Lernen im betrieblichen Kontext selbst agil werden kann. Auf beide Verständnismöglichkeiten möchten wir im Folgenden eingehen.

Was sind die Aspekte der bisherigen Diskussion, die in einer agilen Welt eine besondere Rolle spielen? Versuchen wir einmal, die (nicht vorhersehbare) Lernzukunft vorherzusehen und eine Vision für Lernen in einer agilen Umgebung zu entwickeln. Zunächst könnte man versuchen, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was alles zum Begriff Lernen gehört, und daraus dann abzuleiten, wie sich agil jeweils auswirkt. Dies ist ein wichtiger Ansatz, der durch die Komplexität von Lernen jedoch den Rahmen sprengen würde.

Drei Ebenen des Lernens im agilen Umfeld

Stattdessen beschränken wir uns auf grundlegende Überlegungen und unterscheiden zunächst drei Ebenen des Lernens im agilen Umfeld:

  • Person/Individuum: Haltung, Fähigkeiten, Motivation, Kompetenzen usw.
  • Organisation: Lernkultur, Lernorganisation, Rollen usw.
  • Umfeld: Sozialstruktur, Institutionen usw.

Bei der Organisation und Weiterentwicklung von Lernen in agilen Unternehmen werden alle drei Ebenen zu berücksichtigen sein. Die zugehörigen Teilaspekte werden sich mal verstärken, mal im Widerspruch zu einander stehen. So kann die Weiterentwicklung einer Lernorganisation in der Belegschaft entweder auf Zustimmung ("Endlich kann ich mich besser weiterentwickeln!") oder Ablehnung ("Was soll das denn jetzt, das haben wir noch nie so gemacht.") stoßen.

Lernen ist dann besonders erfolgversprechend, wenn die Bedürfnisse des Lerners (Person), der Organisation, in der er tätig ist, und des Umfeldes, in dem beide stehen, Überschneidungen aufweisen, etwa wenn die Einführung einer neuen Technologie im eigenen Arbeitsbereich das Interesse weckt. Umgekehrt wird Lernen schwer bis gar nicht erfolgen, wenn der Sinn nicht gesehen wird oder die eigenen Fähigkeiten unzureichend sind, sich ein Thema zu erarbeiten. Verständnismöglichkeiten möchten wir im Weiteren eingehen.

Werte für agiles Lernen

Jede Person und jede Organisation sollte somit für sich selbst herausfinden, welche Werte, Vorgehensweisen und Methoden/Instrumente am besten geeignet sind, die eigenen Ziele zu fördern. Dazu können in der agilen Welt unter anderem gehören:

  • flexible, dezentralisierte, ermächtigte Netzwerke innerhalb einer strategisch ausgerichteten Struktur;
  • Lernen durch umfassende Erfahrung, Szenarien und Rapid Prototyping;
  • Akzeptanz von Unsicherheit mit Intuition als einem wertvollen Beitrag zur Klarheit;
  • strategische Sinnstiftung zusätzlich zu operationaler Problemlösung;
  • Entkopplung von »Gewinnen« und Zwang, zu einer Lösung zu kommen;
  • Umgang mit Komplexität als fokussiertes, werteorientiertes, konsequentes Handeln.

Agiles Mindset als Basis für agiles Lernen

Ein Ansatz aus Sicht der Lerner/Mitarbeiter könnte aus der Logik agilen Arbeitens und des agilen Mindsets resultieren. Die wichtigste Frage ist ja, welche Bedarfe und welchen Nutzen hat der Kunde? Hinsichtlich Nutzen und Erfolg der Mitarbeiter könnte die Leitfrage sein: Welche Fähigkeiten sollte ein Mitarbeiter in der nahen VUCA-Zukunft besitzen? Unser Vorschlag einer Antwort wäre:

  • Auf Basis einer soliden Bildung verfolgt er aufmerksam die Entwicklungen und Trends und zeigt strategische Voraussicht.
  • Er reflektiert kontinuierlich, wie Entwicklungen und der eigene Kontext zusammenpassen.
  • Er ist in der Lage, unterschiedliche (eigene und fremde) Fähigkeiten zusammenzuführen.
  • Er sucht die Vernetzung und Kooperation mit anderen, um Probleme kollektiv zu lösen.
  • Er erweitert seine Fähigkeit, wertvolle Informationen vom "Informationslärm" zu unterscheiden, und entwickelt effektive Such- und Verarbeitungsstrategien in der Informationsbeschaffung.
  • Er schult seine Fähigkeit, sich zu konzentrieren und fokussiert zu arbeiten.

Der ideale Mitarbeiter in der agilen Zukunft zeigt somit einen hohen Antrieb, permanent Neues lernen zu wollen, Bewährtes in Frage zu stellen und mit anderen gemeinsam zu lernen.

Agiles Lernen vs. Lernen für agile Umgebungen

Bisher haben wir viel über Agilität gesprochen und darüber, welche Bedeutung Lernen in der agilen und komplexen VUCA-Welt besitzt. Nun ist es an der Zeit, die beiden Begriffe zusammenzuführen und ein "Agiles Lernen" zu definieren. Zur Erinnerung: Agiles Lernen kann auf zwei Arten verstanden werden:

  1. Die Vorbereitung auf agile Welten → Qualifizierung für Agil
  2. In agilen Welten lernen → Agil qualifizieren

Die Unterscheidung erscheint uns wichtig, da die beiden Szenarien unterschiedliche Parameter des Lernens betreffen und somit unterschiedliche Anforderungen an den Lerner und eventuell beteiligte Organisationen (Unternehmen, Trainingsanbieter etc.) nach sich ziehen. Wie wir sehen werden, sind für ein funktionierendes Lernen in agilen Welten noch einige Voraussetzungen zu erfüllen, die in vielen Unternehmen bisher nicht vorhanden sind. Daher liegt unser Schwerpunkt auf dem agilen Lernen als Voraussetzung für die Qualifizierung für agiles Arbeiten liegt; der Weg von dort zur Qualifizierung für agiles Arbeiten ist dann nicht mehr weit. (Lesen Sie hierzu auch unsere Serie "Agile Spiele - Agilität spielerisch erleben").

In den folgenden Kapiteln werden wir uns also damit beschäftigen, wie Lernen im Rahmen von Personalentwicklung in der Zukunft aussehen wird, welche Formate eine Rolle spielen und wie sich die Rollen der Beteiligten ändern.

Das "Agile Manifest des Lernens"

Zu Beginn dieses Kapitels haben wir das Agile Manifest und seine Bedeutung für die Entwicklung agilen Arbeitens dargestellt. Zum Schluss wollen wir nun versuchen, ein "Agiles Manifest für das Lernen" zu definieren. Dies ist eher als Reflexion und Gedankenexperiment zu verstehen und soll helfen, die Veränderungen, die sich für das Lernen und die Personalentwicklung in den Unternehmen ergeben, aufzuzeigen.

Agile Werte (im Agilen Manifest)

  • Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge!
  • Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation!
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen!
  • Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans!

Werte für Agiles Lernen

  • Individuelle Lernbedarfe und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge!
  • Funktionierende Angebote (im Sinne des Bedarfes) sind wichtiger als Zertifikate und Testergebnisse!
  • Begleitung des individuellen Lernprozesses ist wichtiger als festgelegte Methoden und Modelle!
  • Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als die Abarbeitung von Maßnahmenplänen!
  • Auch für das Agile Lernen gilt: Obwohl wir die Werte auf der rechten Seite häufig in der Praxis fokussieren, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.

Wie Sie sehen, haben wir den ersten Wert kaum verändert. Wenn es um Menschen geht, empfinden wir die Formulierung im Agilen Manifest sogar als noch passender als in Zusammenhang mit Software. Auch bei den anderen Werten erscheint eine Übertragung auf agiles Lernen nicht nur einfach, sondern sogar sinnvoll. Die Übertragung der agilen Werte zeigt, wie sich die Haltung zum Lernen und das konkrete Vorgehen deutlich verändern können, häufig sogar ändern müssen. Die Diskussion in den folgenden Kapiteln wird an vielen Stellen zeigen, dass ein "agileres Denken" der Personalentwicklung angezeigt und erfolgversprechend ist. Die Übertragung der Prinzipien im Agilen Manifest ist gut geeignet die eigene Haltung und den Status der Personalentwicklung in der eigenen Organisation zu reflektieren. Dazu mehr im folgenden Kapitel "Agile Prinzipien werden zu Agilen Lernprinzipien".


Buchtipp: Agiles Lernen

Der obige Text ist ein Auszug aus dem Buch "Agiles Lernen" von Nele Graf, Denise Gramß und Frank Edelkraut, das aktuell bei Haufe in der zweiten Auflage erschienen ist. Neu: Mit Augmented-Reality-Elementen, wie Podcasts, Videos und Checklisten. Hier können Sie das Buch im Haufe-Shop bestellen.


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