Cebit 2017: Mangel an IT-Fachkräften bremst Digitalisierung

Auf der Cebit in Hannover dreht sich in dieser Woche alles um die digitale Transformation in Unternehmen und die Chancen, die die Digitalisierung eröffnet. Klar wird dabei aber auch: Deutschland hat Nachholbedarf und die digitale Transformation bleibt eine Herausforderung.

Die Digitalisierung verändert die Spielregeln der Arbeitswelt. Sie Sie verändert Wertschöpfungsketten, greift traditionelle Geschäftsmodelle an, schafft völlig neue Business-Modelle. Auf der weltweit größten Technologie-Messe, der Cebit, können die Besucher diese Woche die neuesten Trends und Lösungen der „Digital Economy“ erleben.

Digitalisierung: In den Köpfen aber noch nicht in der Praxis

Anlässlich der weltgrößten Technologie-Messe wurden auch wieder diverse Studien zum Stand der Digitalisierung in deutschen Unternehmen veröffentlicht, so zum Beispiel vom Branchenverband Bitkom, dem Ingenieursverband VDI und der Digitalberatung Etventure, die mit der etablierten Unternehmensberatung Kienbaum ein Joint Venture zum Aufbau von Digitaleinheiten in Unternehmen gegründet hat. 

Ein Blick auf die Ergebnisse dieser Studien zeigt: Die Digitalisierung ist offenbar in den Köpfen angekommen, aber noch nicht flächendeckend in der Praxis. Laut Philipp Depiereux, Geschäftsführer von Etventure, ist die Frage in deutschen Chefetagen nicht länger, ob die Digitalisierung wichtig ist, sondern wie sie die digitale Transformation schaffen. Einen entscheidenden Anteil daran, ob der digitale Wandel gelingt, hat auch HR. (Lesen Sie hier, wie die Digitalisierung die HR-Agenda verändert und wie Personaler als Change Manager bei der Digitalisierung wirken können.)

Mehr Digitalisierungfreude

Immerhin hat sich laut Bitkom-Studie „die Digitalisierungsfreude in deutschen Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr gesteigert“ und die praktische Umsetzung der digitalen Transformation wird systematischer angegangen. Demnach erwarten neun von zehn Geschäftsführern und Vorständen neue Chancen durch die Digitalisierung. Eine eigene Digitalstrategie haben inzwischen 76 Prozent der Unternehmen; vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 63 Prozent.

In jeder dritten Firma ab 250 Millionen Euro Umsatz (35 Prozent) wird der Prozess der Digitalisierung inzwischen direkt durch die Geschäftsleitung gesteuert, so die Zahlen der Etventure-Studie. 2016 war lediglich bei 24 Prozent aller Unternehmen der Fall. Darüber hinaus zählt die digitale Transformation nun auch in exakt 50 Prozent der Großunternehmen zu den Top drei der Firmenziele (2016: 41 Prozent).

Deutschland im Rückstand

Gleichzeitig belegt die Etventure-Studie aber einen deutlichen Rückstand zu den USA: Zum einen wird der digitalen Transformation dort eine grundsätzlich höhere Bedeutung beigemessen. So ist die Digitalisierung in den USA bereits bei zwei Dritteln der Großunternehmen (66 Prozent) unter den Top-Drei-Zielen. Inzwischen sehen sich dort mehr als doppelt so viele Firmen wie hierzulande schon „sehr gut“oder „gut“ darauf vorbereitet (USA: 85 Prozent, Deutschland: 35 Prozent).

US-Konzerne legen auch ein anderes Tempo in der Umsetzung vor: Die Hälfte aller US-Konzerne erwartet bereits in weniger als einem Jahr Effekte der digitalen Transformation auf Marktanteile oder Umsatz – in Deutschland sagen das lediglich sechs Prozent. Auch ein aktueller OECD-Vergleich der Unternehmensberatung Deloitte bescheinigt Deutschland Aufholbedarf bei der Digitalisierung.

IT-Fachkräfte dringend gesucht

Eine der größten Bremsen des digitalen Wandels in Deutschland ist den oben genannten Studien zufolge der Mangel an IT-Fachkräften und allgemein an Mitarbeitern mit Digitalkompetenz. Dass dieser Mangel noch steigen wird, erwarten 87 Prozent der Befragten der Bitkom-Studie. 54 Prozent haben demnach aktuell Probleme, IT-Spezialisten zu finden. Ähnliche Zahlen liefert auch der VDI: „Im vergangenen Jahr beklagte nur etwa jeder fünfte Befragte, dass IT-Fachkräfte für große Unternehmen schlecht oder sehr schlecht verfügbar sind - nun sieht es schon fast jeder Dritte so“, sagte der zuständige VDI-Manager Dieter Westerkamp. Bei einer neuen VDI-Studie zum Thema Digitalisierung stellte sich zudem heraus, dass das Problem anders als früher neben kleinen und mittleren nun auch große Unternehmen betrifft.

Nach VDI-Berechnungen hat 2016 insgesamt 28.800 offene Stellen für Informatiker gegeben - 23 Prozent mehr als im Schnitt des Vorjahrs. Dazu erklärt Westerkamp: "Das heißt: auf einen arbeitslos gemeldeten Informatiker kommen 3,5 offene Stellen." Die Cebit widmet deshalb dem Recruiting von IT-Fachkräften wieder einen eigenen Bereich „Job and Career“ auf der Messe. (Tipps, wie Sie Ihr IT-Recruiting auf Erfolg programmieren finden Sie hier.)

Fehlende Standards im Bereich Industrie 4.0

Im Bereich Industrie 4.0 wirken zudem fehlende Standards als Bremse. Wie eine andere Umfrage des Bitkom ergab, beklagen 63 Prozent der Befragten unterschiedliche Standards als großes Hemmnis für die digitale Transformation in der Fertigung. So gebe es etwa Schwierigkeiten beim Einbinden vorhandener Maschinen in den Werkhallen. Vor rund einem Jahr hatten Deutschland und die USA eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung solcher Standards vereinbart.

Dem Bitkom zufolge könnte die Vernetzung der Fertigung mit dem Internet in sechs zentralen Branchen in Deutschland bis 2025 für eine Produktivitätssteigerung in Höhe von bis zu 78,5 Milliarden Euro sorgen. Profitieren würden von der Transformation vor allem Branchen wie der Maschinen- und Anlagebau, die Automobilherstellung, Elektrotechnik und die chemische Industrie.

Digitale Agenda für die G20-Staaten

Die Herausforderung beim digitalen Wandel besteht zudem für viele Betriebe nicht so sehr in der technologischen Beherrschbarkeit der Prozesse, sondern der Entwicklung und Umsetzung geeigneter neuer Geschäftsmodelle. International habe Deutschland dabei einen deutlichen Nachholbedarf, warnte der VDI. In diesem Zusammenhang wurde am Rande der Cebit ein „digitaler Schulterschluss“ zwischen Deutschland und Japan, dem diesjährigen Partnerland auf der Cebit, vereinbart. In einer von beiden Ländern unterzeichneten „Hannover-Deklaration“ wurden Bereiche der Zusammenarbeit definiert. Dazu gehörten neben dem autonomen Fahren die künstliche Intelligenz oder die Datenanalytik.

„Japan und Deutschland gehen einen ähnlichen Weg in der Digitalisierung“, sagte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dazu auf der Cebit. Die Zusammenarbeit solle auch in einer digitalen Agenda für die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) münden, der Deutschland aktuell vorsteht. 

dpa

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