Wie Top-Manager den Trennungsprozess erleben

Wer als Top-Manager stürzt, kann besonders tief fallen – das zeigt aktuell der Fall von Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Wie Führungskräfte ein solches Scheitern erleben, hat nun der Autor einer Studie genauer untersucht – und gibt Tipps, was den Betroffenen in den einzelnen Phasen helfen kann.

Früher war Middelhoff Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor – mittlerweile sitzt er in Untersuchungshaft, nachdem er Ende vergangenen Jahres wegen Untreue und Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil hat Middelhoff Revision eingelegt.

Doch auch weniger dramatische Karriereumbrüche – wie eine unerwartete Kündigung – können Top-Manager aus der Bahn werfen. Welche Auswirkungen eine solche Erfahrung auf die Betroffenen hat, hat eine Masterarbeit der Hochschule Fresenius untersucht. Für die zugrundeliegende Studie, die die Hochschule und die HPO Research Group gemeinsam mit dem Personalberater von Rundstedt durchführte, befragte Studienautor Jörg Bauer 21 Top-Manager in jeweils zweistündigen Gesprächen zu ihren Erfahrungen.

Dabei stellte Bauer einen prototypischen Verlauf fest, den er mit einem schweren Gewitter vergleicht. Auf Basis dieser Gewitteranalogie entwickelte er ein Modell, das die einzelnen Phasen beschreibt, die die Top-Manager bei einem ungewollten Umbruch durchlaufen. Wie die Befragten diese fünf Phasen erlebt haben und welche Strategien und Lösungsansätze der Studienautor daraus ableitet, zeigt die folgende Zusammenfassung.

Phase 1: Wolken ziehen auf

Einige der Top-Manager, so die Ergebnisse der Befragung, beobachteten schon vor der Trennung, dass Spannungen in der Luft lagen: Sie wurden etwa nicht mehr zu allen wichtigen Meetings eingeladen. Manche bezogen die Spannungen aber nicht auf sich selbst; andere gingen davon aus, dass sie an ihnen vorüberziehen würden. Je sicherer sich ein Topmanager fühlt, so Bauers Beobachtung, umso weniger bezieht er die Vorboten auf sich selbst.

Daher sollten sich Top-Manager in dieser Phase nicht nur auf die eigene Wahrnehmung verlassen, sondern auch Verbündete und Partner suchen, die Informationen liefern oder bei der Interpretation der Unternehmenspolitik helfen können, so die Autorenempfehlung. Rechtzeitig sollten Betroffene Netzwerke pflegen, neue aufbauen und Gespräche führen, um die eigenen Marktchancen auszutesten. Zudem sollten sich Betroffene in dieser Phase finanziell absichern.

Phase 2: Der Blitz schlägt ein

In dieser Phase zerstört die Trennungsnachricht die Hoffnung des Betroffenen darauf, dass die Wolken an ihm vorüberziehen. Der Schock trifft den Topmanager hart und lässt ihn buchstäblich abstürzen. Nachdem der erste Schock überwunden ist, sorgen administrative Prozesse – also etwa das Abgeben der Schlüssel oder das Kappen der Kommunikationswege – dafür, dass der Schmerz handfest spürbar wird.

Wichtig ist in dieser Phase, laufende Projekte noch abzuschließen und die Verabschiedung gut zu organisieren. Zudem sollten Top-Manager zu diesem Zeitpunkt neue Kontakte aufbauen und sich juristischen Rat für die Ausstiegsverhandlungen einholen. Auf kommunikative Tiefschläge gegen den Arbeitgeber sollte verzichtet werden.

Phase 3: Die Ruhe vor dem Sturm

In dieser Phase klingt die Aufregung langsam ab. Die Top-Manager zeigen sich überzeugt davon, dass es sich nur um ein kurzes Tief handelt und sie schnell wieder auf eine ähnliche Höhe angelangen wird wie vor dem Absturz. Diese Phase birgt jedoch auch Risiken: Gelingt das Comeback in einer Spitzenposition nicht wie erwartet, ist die Enttäuschung groß.

Um diese Krise besser zu bewältigen, empfiehlt Autor Bauer, Aktivitäten jenseits des Berufs wie im Ehrenamt, Sportverein oder Gremien. Feedback auf Augenhöhe und ein offener Austausch mit neutralen Beratern kann den Top-Managern dabei helfen, Handlungsoptionen zu erarbeiten. Weiterhin wichtig ist Netzwerkarbeit.

Phase 4: Der lange, dunkle Regen

In dieser Phase zerschlägt sich oft die Hoffnung auf einen schnellen Wiedereinstieg; gleichzeitig wächst die Sorge, nichts Vergleichbares zu finden. Diese Desillusionierung ist der Ausgangspunkt für eine emotionale Talfahrt. Einige Manager erwägen in dieser Phase, eine Anstellung auf tieferer Ebene anzustreben. Zudem stellen viele Top-Manager fest, wie wenige Anknüpfungspunkte sie an ihr soziales Umfeld haben.

In dieser Phase sollte der Topmanager die Illusion eines schnellen Wiedereinstiegs hinter sich lassen, empfiehlt Bauer. Des Weiteren sollte er sich für die Übergangsphase Zeit nehmen und nicht in blinden Aktionismus verfallen. Der Austausch mit externen Ratgebern wird in dieser Phase immer wichtiger. Schließlich geht es längst nicht mehr nur um die reine Arbeitssuche, sondern um komplexere Fragen, wie die nach den eigenen Werten und Zielen.

Phase 5: Die Wolken brechen auf

In dieser Phase ist das Gewitter vorbei. Einige Wolken sind aber noch immer am Himmel zu sehen. Absturz, Schock und der schwere Weg durch den Regen haben ihre Spuren hinterlassen. Viele berichten davon, dass sie noch immer gekränkt waren durch die Art, wie die Trennung vollzogen wurde. Doch: Durch die Besinnung auf die ganz persönlichen Ziele und Wertvorstellungen gelingt es dem Topmanager letztlich, den Umbruch konstruktiv zu bewältigen und in einer neuen Position durchzustarten.

Offenbar im Erfolg: Im Rückblick geben drei Viertel der Befragten an, dass sie heute in ihrer neuen Position mehr Freiheiten und Gestaltungsspielraum genießen. Mehr als 80 Prozent haben demnach mehr Freizeit als früher. Fast 90 Prozent der Befragten geben an, dass sich ihre privaten Beziehungen verbessert hätten. Alle Studienteilnehmer bestätigten, dass ihre Lebensfreude nach dem überstandenen Umbruch mindestens ebenso groß wie früher, teilweise sogar größer sei.

Hinweis: Auch HR kann einen Beitrag dazu leisten, dass Manager aus einer ungewollten Trennung nicht als Verlierer herausgehen. Dazu müssen Personaler gemeinsam mit der Führungskraft des Betroffenen den Trennungsprozess professionell gestalten. Wie dies gelingen kann, lesen Sie in unserem Beitrag "Leitfaden Trennungsgespräch führen".


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