Die Zukunft der Stellenanzeige heißt KI
Den Recruiting-Verantwortlichen kommt die zentrale Aufgabe zu, im Dialog mit den Fachabteilungen Stellenanzeigen zu gestalten und die wesentlichen Inhalte im Ausschreibungstext festzulegen. Die Wahl geeigneter Keywords, die zielgruppengerechte Ansprache und Tonalität, aber auch die Auswahl visueller Elemente sowie Text- und Formatanpassungen an verschiedene Distributionskanäle können den Erfolg der Stellenanzeige beeinflussen.
Den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten von Stellenanzeigen stehen in der Regel sehr begrenzte Ressourcen in den Personalabteilungen gegenüber. In der Praxis wird daher schon heute stark auf Vorlagen und Textbausteine zurückgegriffen oder es werden bei Neuausschreibungen alte Anzeigetexte wiederverwertet und modifiziert. Neue Unterstützungsmöglichkeiten bieten Lösungen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. So entstehen Empfehlungen zur Optimierung von Titeln, Texten oder Keywords.
Der Siegeszug generativer KI
Mit der Veröffentlichung von ChatGPT gegen Ende 2022 hat generative KI eine große Bekanntheit erlangt. In kurzer Zeit ist eine kaum noch überschaubare Vielfalt von generativen KI-Lösungen entstanden. Diese Lösungen erzeugen auf Basis von Trainingsdaten neue, originäre Inhalte wie Texte, Bilder oder Videos, anstatt vorhandene Daten lediglich auf verborgene Muster zu analysieren oder zu klassifizieren.
Neuartig ist an diesen Systemen auch, dass die Kommunikation über Prompts in natürlicher Sprache erfolgt, was den Einstieg in die Nutzung stark erleichtert. Daraus resultieren auch sogenannte Consumerization-of-IT-Effekte: Mitarbeitende erproben KI-Tools zunächst privat und erwarten deren Anwendung dann auch im beruflichen Umfeld. Im Folgenden werden daher auch grundlegende Anwendungsfelder und ausgewählte Anwendungsbeispiele im Recruiting vorgestellt, bei denen nicht nur spezialisierte KI-Anwendungen zum Einsatz kommen.
KI im Recruiting: Anwendungsfelder
Eine erste Kategorie von Anwendungsfeldern, die eher mit klassischer analytischer KI in Verbindung steht und oft systemintegriert angeboten wird, betrifft die Unterstützung bei der Schaltung und Verbreitung von Stellenanzeigen:
- Budget-Optimierung (Programmatic Job Advertising): KI-Lösungen können eingesetzt werden, um ein definiertes Budget datengetrieben auf die erfolgreichsten Kanäle zu verteilen.
- Zielgruppenspezifisches Targeting: KI analysiert historische Daten aus erfolgreichen Stellenausschreibungen und spielt Anzeigen gezielter an Zielgruppen aus.
Ein weiteres Anwendungsfeld von KI in Stellenanzeigenprozessen betrifft die Unterstützung bei der Texterstellung oder -verarbeitung. Dies kann systemintegriert, aber auch über konventionelle Large Language Models (LLM) wie ChatGPT, Google Gemini oder Microsoft Copilot realisiert werden:
- Plattform-Optimierung: KI kann automatisiert kanalspezifische Varianten von Stellenanzeigen erstellen (zum Beispiel Langversionen für Jobportale und kürzere Versionen für verschiedene Social-Media-Plattformen).
- Automatisierte Entwürfe: Generative KI kann aus wenigen Eingaben (Jobtitel, Standort, Anforderungen, Zusatzleistungen) vollständige und stilistisch konsistente (zum Beispiel angepasst an eine Corporate Language) Stellenanzeigen generieren.
- Lesbarkeitsoptimierung: KI erkennt komplexe, verschachtelte Sätze und schlägt verständlichere Varianten vor.
- Zielgruppenspezifsche Textanpassungen: Texte werden in Sprache und Tonalität (zum Beispiel formale oder informelle Sprache) auf Zielgruppen angepasst.
- Diversity-Wording: Mithilfe von Natural Language Processing analysieren Tools Stellenanzeigen auf geschlechts- oder alterscodierte Begriffe und schlagen neutrale Alternativen vor.
Eine dritte Anwendungskategorie betrifft den Einsatz im Bereich der visuellen und multimedialen Inhalte von Stellenanzeigen. Qualitativ hochwertige Ergebnisse sind oft nur über spezialisiertere KI-Tools zu erreichen:
- Header-Bilder und -Grafiken: Generative Bildmodelle können Headerbilder oder thematische Visuals für Stellenanzeigen erstellen, die auf das Corporate Design oder das Employer Branding abgestimmt sind (zum Beispiel DALL-E, Midjourney).
- Fotorealistische Bilder von Ansprechpartnern: KI-gestützte Tools können Fotos standardisieren (zum Beispiel Hintergründe vereinheitlichen) oder sogar synthetische Headshots (zum Beispiel Headshot Pro) generieren.
- Avatar-Videos und Digital Twins: Mit spezieller generativer KI (zum Beispiel Hey Gen, Synthesia) lassen sich Avatare (stilisiert oder als individuelles Abbild) erstellen, die Stellenanzeigen multimedial begleiten.
- Stellenspezifische kurze Video-Intros: Mittels KI-Lösungen (zum Beispiel Lumen5) wird vorhandenes reales Videomaterial beziehungsweise Stockfootage neu geschnitten und arrangiert (zum Beispiel mit Off-Text angereichert oder in Sprachvarianten generiert).
Diese Auflistung von Anwendungsfeldern ist nicht vollständig, verdeutlich aber bereits die grundlegenden Potenziale für eine KI-Unterstützung im Stellenanzeigenprozess.
Risiken bei KI-generierten Stellenanzeigen
Der Einsatz von KI ist aber auch durch Risiken und Herausforderungen gekennzeichnet. Ein Beispiel sind Verzerrungen in den Trainingsdaten. Wird ein solcher Bias in den Ergebnissen eines KI-Systems reproduziert, kann dies zu einer systematischen, wenn auch unbeabsichtigten Benachteiligung von bestimmten Bewerbergruppen mit der Gefahr entsprechender rechtlicher Konsequenzen oder Reputationsschäden führen. Ein weiteres Problem speziell von generativer KI sind sogenannte Halluzinationen: Ergebnisse wirken plausibel, sind aber objektiv falsch.
Aus der Perspektive von Stellensuchenden birgt der Einsatz von KI-Lösungen außerdem das Risiko, dass KI-generierte Inhalte als unpersönlich, austauschbar oder nicht authentisch empfunden werden. Daraus können sich negative Auswirkungen auf die Wirkung der Anzeige, das Vertrauen in den Arbeitgeber oder die Candidate Experience ergeben. Das kann beispielsweise auftreten, wenn Digital Twin Avatare von realen Mitarbeitenden genutzt werden. Damit lassen sich zwar effizient ansprechende Erklär- oder Informationsvideos erzeugen. Solche automatisiert produzierte Videos sind aber kaum geeignet, um Authentizität oder eine besondere Wertschätzung gegenüber Stellensuchenden zu vermitteln.
Zugleich zeigt sich in der Praxis ein Akzeptanzparadox: KI-generierte Inhalte sind immer schwerer von realen oder durch Menschen erzeugten Inhalten zu unterscheiden. Werden die KI-Inhalte aber als KI-generiert kenntlich gemacht, stoßen sie oft auf Ablehnung. Sollten einzelne KI-Lösungen zukünftig sehr verbreitet genutzt werden, sind auch Effekte einer inhaltlichen Angleichung oder Konvergenz zu erwarten, was dann eine Employer-Branding-Differenzierung erschweren könnte.
Probleme aus der Sicht des Datenschutzes und der Datensicherheit sind unter anderem Data Leakage (zum Beispiel über das Hochladen vertraulicher Unternehmensinformationen in KI-Lösungen), DSGVO-bezogene Risiken (zum Beispiel Verarbeitung personenbezogener Daten in KI-Systemen ohne Rechtsgrundlage) oder eine mögliche Ausbildung von Shadow IT (verbogene Nutzung nicht freigegebener KI-Lösungen in Unternehmen durch Mitarbeitende). Auch Fragen des Urheberrechts an Trainingsdaten und an den über KI-generierten Inhalten sind teils noch offen.
Eher langfristig gesehen müssen Unternehmen bei einem verbreiteten Einsatz von KI-Lösungen auch Vorkehrungen treffen, damit sich Recruiter nicht zu stark auf KI-Resultate verlassen und somit die redaktionelle Kontrolle von Stellenanzeigen vernachlässigen. Jede KI-generierte Anzeige benötigt letztlich weiterhin eine Human-in-the-Loop-Review, bevor sie veröffentlich wird.
Von der Exploration zur KI-Strategie im Recruiting
Wie in anderen Anwendungsbereichen von KI auch, wird es in der Praxis vermutlich weniger auf eine vollständige Substitution von menschlichen Arbeitskräften, als auf eine Kollaboration von menschlichen Arbeitskräften mit KI (also Human-AI-Collaboration), hinauslaufen. Die größten Chancen liegen bei der Entlastung der Recruiting-Verantwortlichen von repetitiven, aber wenig werthaltigen Arbeitsprozessen, wodurch sich idealerweise die vorhandenen Ressourcen auf höherwertige Aufgaben fokussieren können. Die fachliche Expertise und Erfahrung der Recruiter bleibt aber weiter gefordert. Diese sollten sich möglichst frühzeitig in Schulungen und Trainings mit den Chancen, aber auch den Risiken von KI befassen.
Um die Risiken handhaben zu können, sind beispielsweise geeignete Governance- und Qualitätssicherungsprozesse notwendig. Im produktiven Einsatz muss klar sein, welche KI-Tools für welche Anwendungsfälle wie genutzt werden dürfen. Die anfängliche, explorative Nutzung von KI ist also in einen systematischen und strategisch geplanten Einsatz von KI zu überführen. Zur Identifikation und Absicherung von Risiken können Unternehmen zum Beispiel Bias-Audits etablieren, um algorithmische Verzerrungen bei der Nutzung von KI frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.
Für den Umgang mit sensiblen Daten gilt das Prinzip der Datenminimierung: Vertrauliche Informationen dürfen nicht unkontrolliert in externe Tools eingegeben werden. Bei der Nutzung von generierten Bildern und Videos müssen Urheberrechte und Nutzungsrechte geklärt sein, idealerweise durch vertragliche Regelungen mit den Anbietern dieser Werkzeuge. Zudem empfiehlt sich ein Transparenzstandard, der auch nach außen offenlegt, welche Inhalte KI-generiert wurden, an welchen Stellen KI unterstützt und wo menschliche Verantwortung bleibt.
Fun Fact: Prof. Dr. Stephan Böhm hat viele der beschriebenen Maßnahmen selbst getestet. Auch sein Autorenfoto wurde von einer KI generiert - die Ähnlichkeit zum realen Vorbild ist groß.
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