Variable Vergütung: Wann ein Teambonus sinnvoll ist

Teamboni sollen die Zusammenarbeit fördern und damit die Produktivität steigern. Doch sie können auch zerstörerisch wirken, warnt Professor Guido Friebel. Wann ein Teambonus sinnvoll ist und wann nicht, erläutert der Vergütungsforscher im Interview.

Haufe Online-Redaktion: Immer mehr deutsche Unternehmen kehren sich von individuellen Bonuszahlungen ab. Es ist doch schön, dass die Firmen sich keine Einzelkämpfer mehr heranzüchten und nun das Wohl des Gesamtunternehmens mehr in den Fokus stellen wollen – oder?

Guido Friebel: Dass Firmen Leistung nicht mehr individuell bewerten wollen, ist ein wiederkehrender Trend. Ich halte aber die Entscheidung, nur noch ein Fixgehalt und daneben einen Firmenbonus für alle zu zahlen, für gefährlich. Denn daraus entsteht ein Motivationsproblem: Wenn Top-Performer im Vergleich zu ihrer Leistung nur einen kleinen Anteil am Profit erhalten, empfinden sie das als unfair. Gegen dieses Gefühl kann der Arbeitgeber nur noch mit höheren Fixgehältern und Beförderungen gegensteuern – was beides sehr unflexible Instrumente sind.

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Haufe Online-Redaktion: Dann sind doch Teamboni eine gute Lösung – denn wenn die Gemeinschaftsleistung stimmt, werden Top-Performer damit ja auch belohnt …

Friebel: Bei der Diskussion um Teamboni, die im Übrigen bereits seit einem knappen Jahrhundert geführt wird, vergessen viele einen fundamentalen Punkt: Auf einen Teambonus zu setzen ist nur dann sinnvoll, wenn die Mitarbeiter wirklich ein organisches Team bilden, in dem das Produkt in einer engen Kooperation entsteht, in dem es also gar keine individuellen Leistungsmaße gibt. Wenn man hingegen gut individuell vergüten kann, weil sich die Leistung des Einzelnen messen lässt und die Kooperation zwischen den Individuen nicht so wichtig ist, dann sollte man das auch tun. Das geht zum Beispiel bei Vertrieblern, deren individuelle Verkaufszahlen man als objektive Maße heranziehen kann. In solchen Fällen die Teamleistung statt der individuellen Leistung zu messen, ist unsinnig. Sehr wohl aber kann man hier die relative Leistung messen.

Haufe Online-Redaktion: Können Sie ein Beispiel nennen für ein organisches Team?

Friebel: Zum Beispiel Bäckereiteams: Dort gibt es gar keine sinnvolle Möglichkeit, die Mitarbeiter individuell zu incentivieren. Denn in einem Bäckerladen ist die Produktion notwendigerweise so organisiert, dass die Mitarbeiter im Team zusammenarbeiten müssen. Das Einzige, das sich am Ende des Arbeitstags messen lässt, ist: Wie viel ist in der Kasse und wie viele Brote sind am Abend nicht verkauft?

Haufe Online-Redaktion: Wie wirken sich denn Teamboni auf die Arbeitsleistung solcher organischer Teams aus?

Friebel: Wir haben im Bäckerei-Umfeld ein Feldexperiment mit 1.500 Teilnehmern durchgeführt, das erstmalig die Wirksamkeit von Teamboni nachweisen konnte. In unserem Experiment erhielt die Hälfte der Teilnehmer einen Team-bonus, die andere Hälfte nicht. Bei den Teams mit Teambonus stellten wir große Effekte fest: Die Verkäufe sind in diesen Teams durchschnittlich um drei Prozent hochgegangen, in Bäckereien in größeren Städten sogar um sieben Prozent – denn dort können die Teams durch schnelleres und effizienteres Arbeiten tatsächlich mehr Umsatz generieren.

Haufe Online-Redaktion: Aber auch hier wären doch auf bestimmten Ebenen individuelle Ziele denkbar. Etwa: Wenn der Teamleiter das Team ausreichend trainiert, motiviert und dadurch die Leistung steigert, gibt’s einen Extrabonus für ihn …

Friebel: In unserem Fall bekamen die Shopleiterinnen tatsächlich einen individuellen Bonus – aber die Mitarbeiter fanden das unfair. Denn wenn Organisationen versuchen, ein echtes, organisches Team nicht als Team zu behandeln, sondern jeden Mitarbeiter individuell zu bewerten, führt das dazu, dass die Mitarbeiter nicht mehr gut zusammenarbeiten. Diesen Fehler machen auch viele Vergütungsberater: Sie versuchen, alles auf individuelle Boni herunterzubrechen. Aber wenn dies nicht geht, sollte man es auch nicht machen.

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Haufe Online-Redaktion: Wie müssten denn Teams beschaffen sein, damit ein Teambonus möglichst wirksam ist?

Friebel:  Hier gilt: „Small ist beautiful“ – kleine Teams sind dafür am besten geeignet. Ideal sind Gruppen von fünf bis zehn Mitarbeitern, die sich untereinander gut verstehen. Solche Gruppen kann man gut incentivieren, denn dann wirkt der monetäre Anreiz auf jeden Einzelnen und auch darauf, dass die Mitarbeiter sich gegenseitig motivieren. Dann sind Teamboni eine hochproduktive Angelegenheit. Allerdings müssen auch alle, die am Teamprodukt mitwirken, incentiviert werden. Das haben wir in unserer Bäckereistudie festgestellt. Dort arbeiteten viele Minijobber mit, die vom Bonus ausgeschlossen waren. Diese Mitarbeiter motiviert ein Teambonus nicht – denn sie haben ja nichts davon.

Haufe Online-Redaktion: Aber für die Festangestellten klingt das doch alles sehr nett: Mitarbeiter, die sich gut verstehen und sich gegenseitig motivieren. Aber ist es in der Praxis nicht so, dass sich faule Mitarbeiter hinter dem Team verstecken können?

Friebel: Die Mechanismen bei einem Teambonus sind alles andere als nett: Die Teammitglieder müssen untereinander Druck ausüben. Denn es gibt tatsächlich Evidenz dafür, dass manche Mitarbeiter in solchen Teams „shirken“ – sich also vor der Arbeit drücken. Die leistungsbereiten Mitarbeiter machen dann Druck. Das kann so weit gehen, dass sie die Minderleister zwingen zu gehen.

Haufe Online-Redaktion: Was bedeutet das für die Führung?

Friebel: Die Führungskraft muss den Druck im Team – auch „Peer Pressure“­ genannt – zwar ausnutzen, aber auch gleichzeitig sicherstellen, dass der Druck nicht zu hoch und somit kontraproduktiv wird. Neben der Frage der Incentivierung steht natürlich auch die Frage zur Diskussion, wie viel Entscheidungsrechte der Vorgesetzte dem Team geben möchte – etwa, ob sich die Mitarbeiter selbst aussuchen dürfen, wen sie ins Team holen möchten, damit die Teamarbeit möglichst gut funktioniert.

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Haufe Online-Redaktion: Was bedeutet denn die Incentivierung von Teams für die Zusammenarbeit in der Organisation? Führt es nicht zu Neid, wenn Team X immer höhere Boni bekommt als Team Y?

Friebel: Die Gefahr besteht tatsächlich, das zeigt eine Studie der US-amerikanischen Soziologin Rosabeth Moss Kanter aus den 1990er-Jahren. Sie beobachtete Forschungsteams. Der starke Erfolgsdruck, Lösungen zu produzieren, der auf den Forschern lastete, führte dazu, dass die Teams sich gegenseitig sabotierten: Sie zerstörten die Bakterienkulturen der Konkurrenzteams – nur, damit ihr eigenes Team zuerst die Lösung finden konnte. Das Beispiel zeigt: Bei exzessiven Anreizen ist es egal, ob auf individueller oder auf Teamebene incentiviert wird. Wenn der Druck zu stark ist, bemüht man sich, dass die anderen auch nicht vorankommen. Immer, wenn es darum geht, nicht nur gut zu sein, sondern besser als andere, besteht die Gefahr, dass Teams nicht nur das Produktive, sondern auch das Destruktive tun.

Haufe Online-Redaktion: Teamboni werden also schon längere Zeit erforscht. Warum, glauben Sie, ist das Interesse daran gerade wieder neu aufgeflammt?

Friebel: Das hat viel mit moderner Technologie zu tun, mit der wir in vielen Bereichen heute viel besser als früher messen können, welche Leistung jemand erbringt. Aber weil wir das heute können, heißt das nicht, dass wir es auch unbedingt tun müssen: Wenn ein Vergütungssystem nicht in die Kultur eines Unternehmens passt, wird es dort auch keinen Erfolg haben. Man muss nicht auf jeden Zug aufspringen. Denn dann rennt man nur einer Mode hinterher. Und vor Moden sollte man sich in Acht nehmen.


Prof. Dr. Guido Friebel ist Lehrstuhlinhaber an der Goethe-Universität Frankfurt. Er erforscht unter anderem Anreizsysteme.


Das Interview führte Andrea Sattler, Redaktion Personalmagazin.



Tipp zum Weiterlesen:

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Schlagworte zum Thema:  Vergütung, Mitarbeitermotivation, Incentive